Oskar 1915-1928

1915  Erna Karschunke?,Elisbeth, Maria Koye
1915 Erna Karschunke?,Elisbeth, Maria Koye
1915 Werner und Elisabeth
1915 Werner und Elisabeth

Die Großeltern entscheiden sich im Frühjahr 1915 nach Amberg zu ziehen und sich der Erziehung der Kinder anzunehmen.

Zusätzlich kommt (oder ist bereits in Amberg?) die Kusine von Elsa (Oskar’s verstorbener Frau) Erna Karschunke, nach Amberg.

Erna heiratet später Georg Bock in Amberg. Als ihr Mann 1929 stirbt hat sie 4 Kinder im Alter zwischen einem und neun Jahren.

Links Erna, Mitte Elisabeth und rechts Oma Koye.

 

Mir wurde erzählt: Oskar hat die Erziehung von Werner und die Großeltern die Erziehung von Elisabeth übernommen. In einer Karte aus dem Schliersee schreibt der Opapa (leider keine Briefmarke mehr auf der Karte und daher kein Datum! - zwischen 1917 und 1920):

Meine kleinen Lieblinge!

Nun bin ich bald 2 Wochen fort von Euch und habe manchmal große Sehnsucht nach Euch, wenn ich einsam wandere, oder allein im Kahn rudere. Aber am nächsten Sonntag bin ich sicher wieder daheim. Gell Ihr seid recht brav, damit ich dann keine Klagen zu hören bekomme? Bubi macht fleißig Schularbeiten und Moy spielt gut, füttert die xFuttisx und Kaninchen gut. Ich werde staunen wie groß die geworden sind. Laßt aber für mich Birnen übrig, hier gibt es keine. Seid herzlich abgedrückt von Euren Opapa.

Schönen Gruß an euren Lieben Vater, die Oma, Paula,

Die Karte ist adressiert nach Amberg und der Opapa sagt “daheim”. Der Ton ist sehr herzlich, der Opa wird gern bei seinen Enkeln gewesen sein.

 

Es muß dann ein Zerwürfnis mit den Großeltern gegeben haben, sie sind später wieder nach Berlin gezogen. Angeblich hätten sie Geschirr genommen. Er hätte sie dann in Berlin sehr unterstützt und ihnen großzügig eine neue Wohnung gesucht und eingerichtet. (wer hat mir das erzählt ? Sigi Bock?).

Belege finde ich keine dazu - aber sie haben jedenfalls wieder in Berlin unter einer neuen Adresse gelebt.

Es ist wahrscheinlich auch nicht ganz einfach in dieser Situation mit den Schwiegereltern. Dann noch Kindererziehung - über die kann man sowieso leicht streiten! Fotos von Oskar und den Schwiegereltern gibt es keine mehr, von den Kindern zusammen mit den Schwiegereltern schon. Oskar hat generell keine Fotoalbum geführt. Alle Bilder kommen von Alben von den Schwiegereltern, Werner und Elisabeth.

1915 Bestätigung der Kriegsanleihe
1915 Bestätigung der Kriegsanleihe

Es geht um die Kriegsanleihe. Wikipedia: Den Ersten Weltkrieg finanzierten vor allem Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland über Kriegsanleihen. Während die USA ihre Mittel weitestgehend über den normalen Haushalt bereitstellen konnten, erhöhte England die Steuern. Sowohl England als auch Frankreich bekamen außerdem Kredite aus den USA. In Deutschland wurden zwischen 1914 und 1918 insgesamt neun Kriegsanleihen ausgegeben, die 98 Milliarden Reichsmark einbrachten und etwa 60% der deutschen Kriegskosten deckten. Deutschland hat den 1. Weltkrieg über Kriegsanleihen finanziert. Die erste Anleihe kommt von September 1914 über 3.4 Mrd Reichsmark.
Vor allem die völlige Entwertung der als mündelsicher angesehenen Kriegsanleihen führte zu einen immensen Vertrauensverlust in den Staat nach dem Ende des Krieges (www.dhm.de).

Am 17. März 1915 wurde Mehl und Brot rationiert. Dazu gab es ausführliche Anweisungen des Stadtmagistrats “über die Abgabe und Entnahme von Brot und Mehl” und “des Verbrauchs von Brot und Mehl”. Im Prinzip muß man sich Ausweishefte holen, die den Bezug regeln. Im Vorwort steht: “Der Plan unserer Feinde und insbesondere Englands, unser deutsches Vaterland auszuhungern, zwingt zu äußerster Sparsamkeit bei dem Verbrauch von Brot und Mehl”. Es soll niemand mehr als täglich 250 g Roggenbrot oder 200 g Mehl erhalten.

1915 Vollzugsvorschriften Stadtmagistrat Amberg
1915 Vollzugsvorschriften Stadtmagistrat Amberg

Von seinem Berufsleben ist nicht viel überliefert.  Auf dem Foto ist auch Erhard (+1918) zu sehen erkennbar am dunklen Hut in der Mitte. Das Foto wurde zwischen 1913 und 1918 aufgenommen. Der Anlaß ist nicht bekannt. Das Foto ist von meinem Vater beschriftet, woher er das Foto hat ist unklar.

Hut von Oskar
Hut von Oskar

1919ca Beschriftung Werner Baumann
1919ca Beschriftung Werner Baumann

Mein Vater hat erzählt, dass Oskar von öffentlichen Schulen nichts hielt und daher private Lehrer für Werner eingestellt hat. Belege finde ich dazu keine.

1919ca Werner und Elisabeth
1919ca Werner und Elisabeth
ca 1921
ca 1921

Bis 1923 gibt es keine Briefe von Oskar, da die Kinder noch zu Hause in Amberg sind. Auf den Fotos sieht man häufig die Großeltern, die alles möglich mit ihren Enkeln unternehmen. Leider sind die Briefe der Großeltern an ihre anderen Kinder Hucki (Arthur) mit Mia und an Hans mit Gisela nicht mehr vorhanden - diese Briefe könnten etwas von der Zeit erzählen. Am 23.1.1923 wechselt Sohn Werner (12 Jahre alt) an das Landschulheim in Schondorf. Oskars Schwester Julie - immer Ju genannt - wohnt verheiratet mit August Helwig in Schondorf. Sie kümmert sich um Werner in Schondorf und ist somit der Ansprechpartner für Oskar. Ju hat einen Sohn Wolfgang, genannt Wolfi, der lange Zeit der beste Freund von Werner ist. Bereits vor der Schulzeit kannten sie sich aus Amberg. Um 1924 wird Elisabeth nach Breitbrunn kommen. Breitbrunn ist auch ganz in der Nähe von Schondorf.

Das Internat wurde 1905 von Julius Lohmann als Landerziehungsheim gegründet. Zu Beginn wurden nur Jungen aufgenommen. 1929 wurde es von dem Ehepaar Julie und Ernst Reisinger in eine Stiftung umgewandelt. Die von beiden entwickelte Grundstruktur des Landheims mit Lehrern, die auch Hauseltern und Mentoren sind, sowie das Werkstättenprogramm wurde bis heute beibehalten. Heute werden Jungen und Mädchen nach den Prinzipien ganzheitlicher Pädagogik und modernen Unterrichtsmethoden (MODUS21-Schule) unterrichtet und auf die Zukunft vorbereitet.

Brief 28.9.1923 an Werner - es ist der erste erhaltene Brief.

Ich habe die Briefe etwas gekürzt, meistens enthält der Anfang klagen über zu wenig Briefe bzw. Entschuldigungen warum der Brief erst jetzt geschrieben wurde. In den meisten Briefen wird Geld mitgeschickt, meistens 20 oder 30 Mark.

Mein lieber Junge!

Zu deinem Geburtstage wünsche ich Dir, wie du dir selber sagen kannst, alles Gute! Bleibe gesund, halte dich wacker und ich glaube, dass du dann auch ein tüchtiger Mann wirst. Ich bin ja mit Dir zufrieden. Werde lieb und freundlich zu Deinem l. Schwesterchen und vornehm!

Wir haben noch verschiedene Sachen für Dich gekauft, hier, die du allerdings erst später bekommen wirst. Ein Rad für dich ist erstens jetzt zu teuer, und dann auch für dich nicht gesund. Du solltet auch den Dauerlauf nicht mitmachen. Wenn du aber gelegentlich einen Wunsch hast, den ich dir bewilligen kam, dann kannst du ihn noch nachträglich als Geburtstagswunsch äussern. Denn ich weiss, dass Gebrauchsgegenstände nicht die Zufriedenheit der verwöhnten Säuglinge (wird von Oskar gern als Bezeichnung von Kindern benutzt), wie du einer bist, erringen. Sei herzlich gegrüßt von deinem dich liebenden Vater...

..Sei überhaupt bei ihr (= Tante Julie) nicht selbstsüchtig, sondern aufmerksam! Bringe den beiliegenden Brief an sie und verliere ihn ja nicht.

 

Über den Schulwerdegang von Elisabeth weiß ich praktisch nichts. In einer Karte von 1924 schreibt Elisabeth (jetzt 10 Jahre alt) an ihren Vater aus der Hauswirtschaftsschule Breitbrunn am Ammersee:

Lieber Vater! Wie geht es dir? Ist heute Onkel August da? Was machte der Pon (=Bruder Werner) als du nach Hause kamst? Ich freue mich schon mein Geburtstagspaket. Mesterchen (=Spitzname von Elisabeth) Grüß Margret [=Hauswirtschafterin].

 

Oskar experimentiert sehr gerne in der Botanik. 1925 macht er Anbauversuche mit Hanf (nach dem Foto).

ca 1923 Oskar in einem Versuchsfeld, vermutlich Hanf
ca 1923 Oskar in einem Versuchsfeld, vermutlich Hanf

Oskar verfolgte die Idee, wie genügend Nahrungsmittel für die Menschheit erzeugt werden könnten - vielleicht war das noch eine Folge aus der Kriegszeit. Intensiv testete er Mais (auch Kukuruz genannt). Mais wurde von Kolumbus 1492 mitgebracht, es gibt über 200 Sorten. Bereits 1525 wurde in Andalusien Mais als Futterpflanze angebaut. Anscheinend war Mais schon im Süden Europas verbreitet ... Mein Vater hat mir erzählt Oskar wollte den Maisanbau bei uns einführen. Heute klingt das für uns nicht weiter verwunderlich - damals wurde anscheinend Mais wegen dem Klima in unseren Breiten kaum angebaut.

Er wollte es vormachen und baute daher immer wieder Mais an. Fotos von 1923-1925.

ca 1925 Maisanbau, Elisabeth und Oskar
ca 1925 Maisanbau, Elisabeth und Oskar
1923 Oskar und Werner
1923 Oskar und Werner

Der Mais wurde gesammelt und verarbeitet und dann gespeichert. Das eigentliche Problem ist das Trocknen des Maises. Deshalb wurde der Mais mit den Eimer auf den Dachboden transportiert. Die Maschine diente zum Trennen der Körner vom Kolben über eine Art Hobel. 1926 schreibt er:

“Mein ausgestellter Mais wird zwar viel bestaunt, aber eingezeichnet hat sich nicht ein einziger Interessent, obwohl ich auf einem großen Plakat allerhand schöne Sachen hingeschrieben habe. Diese Oberpfälzer Bauern sind das Indolenteste was man sich denken kann.”

Auch sein Vorstoß an das Bayr. Landeszuchtanstalt war nicht positiv.

1925 Maisverarbeitung
1925 Maisverarbeitung
1925 Maistrocknung im Dachboden
1925 Maistrocknung im Dachboden

1924 kommt die Verwandtschaft zu Besuch und sie machen einen Ausflug zu einem Steinbruch. Steinbrüche besucht Oskar gern, er sucht dort geologische Besonderheiten.

von links: 1 - Kurt B., 2 - Helene B. (Frau von Georg), 3 - Julie Helwig (Schwester von Oskar), 4 - Georg Baumann (Vater von Kurt), 5 - Oskar, 6 - hintern August Helwig (Mann von Julie), 7 - vorn Wolfgang Helwig (Sohn von Julie und August; er wird ein Lebensfreund von Werner), 8 - Werner (Sohn von Oskar; mein Vater)

1924 Familienbesuch
1924 Familienbesuch

1925 macht er einen Ausflug nach Garmisch zusammen mit Elisabeth und Frl. Margareth.

(“Was l. klein Westerchen (=Elisabeth, 11) eine solch große Wirtschaft macht, habe ich Frl. Margareth auch mit genommen u. Westerchen setzt uns so zu, daß wir alle zwei zu tun haben.”)

Es gibt auch noch einen Brief von der Reise - allerdings ohne Schreibmaschine (Zitat: “Wenn man keine Schreibmaschine bei sich hat, dann muß man wieder handschreiben u. dergleichen kommt einen schlampert vor” wie wahr - nur sehr mühsam zu entziffern) aus Partenkirchen.

Handschrift von Oskar

 16.II.1925

 Partenkirchen, Alpspitz bei Krieger

 Mein lieber Pon!

 Wenn man keine Schreibmaschine bei sich hat, dann muß man wieder handschreiben u. dergleichen kommt einen schlampert vor. Umso mehr  mußt du es würdigen, wenn ich dir aus der Winterfrische einen Brief  schreibe.

 Wie du aus meiner jetzigen Anschrift ersehen kannst, bin ich jetzt mit klein Westerchen in den Bergen. Was l. klein Westerchen eine solch große Wirtschaft macht, habe ich Frl. Margareth auch mit genommen u. Westerchen setzt uns so zu, daß wir alle zwei zu tun haben. Wir kamen am Samstag mittag an u. haben, nachdem wir nachm. eine Wohnung endl. gefunden, uns sofort nachgeninde? aufgemacht um dich dort zu suchen. Vielleicht kommst du jetzt u. ich würde mich freuen, wenn ich dich treffen würde. Ob du in die Schweiz fahren sollst u. darfst, das will ich jetzt noch nicht definitiv entscheiden. Solltest du zu gar keinen Wintersport in diesem Winter kommen, dann werde ich dir diese Wintertour in die Schweiz erlauben, falls dort richtig Schnee liegt. Solltest du aber jetzt noch genügend Schilaufen können es schneit außerordentlich direktemang aber - dann brauchst du nicht noch zur Schweiz. denn wirst du auch am Schnee nicht mehr die richtige Freude haben. 300 M ist außerdem allerhand Geld !!  aus München haben wir die verschiedensten Fressalien für dich eingekauft  u. sind nun in der fidelen Lage, die Sachen selber essen zu müssen. Wir 

wissen nicht, was wir damit der Ananas anfangen sollen. Wir werden schon einen Arrmen finden, der sie nimmt....

Im Fotoalbum steht als Zitat zum Skifahren: ”Ich weiß nicht, was die Leute am Hinfallen für ein Vergnügen haben!”.

1925 Ausflug nach Partenkirchen
1925 Ausflug nach Partenkirchen

Brief vom 7.4.1925 an Elisabeth: Wolfgang und Werner haben Schulferien und sind in Amberg.

Mein geliebtes kleines Mesterchen,

Und ich denke doch so viel an mein kleines Maigerl, und oft sage ich, was macht wohl jetzt unser kleines Maigerl, denn oft habe ich Sehnsucht nach meinem kleinem Schwesterchen. ..

An Ostern kannst du also nicht nach hier kommen. Es rentiert sich doch wohl nicht, und außerdem kann ein solch kleines Mädel eben doch nicht allein reisen. So wünsche ich dir vergnügte Osterfeiertage. Wenn du gerne nach Fronlohe gehen willst und man dich eingeladen hat, dann kannst du auch dorthin, gehen. Mit den Auto haben wir eine große Fahrt nach Wunsiedel im Fichtelgebirge gemacht. Es lief sehr schön und flott und wir sind früher nach Hause zurückgekommen als wir wollten. Das ganze Auto war vollgeladen voll alte und junge Säuglinge.

Ich habe dir Wurst zuschicken lassen und du kannst davon auch der Inka, abgeben. Esse nicht vor den anderen Säuglingen, denn man soll nicht den Neid anderer herausfordern. Ich werde dir nun auch zu Ostern noch andere Sachen zuschicken lassen, darunter befinden sich auch harte Eier. Ich möchte dich darauf aufmerksam machen, dass du mir die harten Eier nicht schnell essen tust, denn diese sind schwer verdaulich und man kann davon sehr krank werden, wenn man sich den Magen voll schlägt.

Frl. Margareth hat dir die verschiedenen Sachen ausgesucht und du musst dich auch gelegentlich bei ihr für ihre Mühe bedanken. Denn sie macht diese Arbeit mit Interesse und Liebe für dich.

Die beiden hiesigen Säuglinge machen eine Mordswirtschaft. Geht es ans Autofahren, dann wollen sie nicht mit, sondern erklären, sie wollen lieber mit der Loni spielen. Die Loni aber will nicht recht viel von ihnen wissen, denn sie sind ihr zu albern.

Wolfgang furchtet sich nachts, weil er jetzt allein in einem Zimmer klappern muss. Mitten in der Macht schreit er oft nach seiner Mami und nach dem Zulp. Beide kämpfen oft bei Tag um den Zulp, denn der Poe [Werner] will auch gerne zulperlen. Jetzt habe ich die Sache geregelt, bei Tag müssen sie alle zwei Stunden wechseln und bei Nacht wird er ihnen um Mitternacht genommen und dann kriegt ihn der andere. ...

[Internet: Der Zulp ist schlicht der Vorläufer des Schnullers. Ein wenig Watte in eine Leinenläppchen gebunden, in Zuckerwasser oder Bier getaucht. Oskar wird es hier aber als Synonym für Schnuller verwenden. Bereits 1845 wurde der erste “ angeflanschte Gummisauger ” patentiert - das Leinenläppchen wurde bereits im 18.Jhdt stark kritisiert. - bleibt noch anzumerken, dass Werner und Wolfgang gleich alt, nämlich 13 Jahre sind!]

Die Handwerker sind immer noch im Haus und werden noch lange nicht fertig sein. Das heißt sie sind nicht immer da, aber die Zimmer sind nicht in Ordnung. Auch dein Zimmer ist voller Möbel gestellt. [ Vielleicht wurde jetzt eine Zentralheizung eingebaut.]

Nun mein liebes Maigerl bleibe gesund und schreibe mir auch mal einen schönen Schreibe Brief und wirf ihn aber dann nicht in den Ammerweiher.

Es grüßt dich herzlich dein tr. Vater

 

Oskar liebt Hunde und insbesondere Boxer. Die Boxer müssen alle möglichen Kunststücke erlernen. Sein Lieblingsboxer hieß Astor.

Die Fotos sind von 1925-1928. Unterschrift: “Astor beim Sport”

1927 "Astor beim Sport"
1927 "Astor beim Sport"
1928 Astor "Der Athlet"
1928 Astor "Der Athlet"

1926 Oskar mit Astor (eins der wenigen Fotos mit lächelnden Oskar)
1926 Oskar mit Astor (eins der wenigen Fotos mit lächelnden Oskar)

Es sind wirtschaftlich schwere Zeiten. Oskar muss mit den Mitteln haushalten. Die Firma ist in schweren Turbolenzen und macht Verluste. Die Geldreserven sind verbraucht, es können keine Steuern bezahlt werden.

 

Brief vom 14.10.1925 an Werner:

Dass es sehr schlecht um die Industrie aussieht, habe ich dir schon einmal gesagt. Wir haben früher zwei Drittel unserer Produktion ins Ausland verkauft, und dieser Export ist der deutschen Industrie unterbunden durch sehr hohe Zölle, die das Ausland erhebt, damit eben die deutschen Waren nicht mehr ins Ausland verkauft werden können. Wir wollen zunächst einmal die Anzahl der Leute auf Tausend verringern, was noch eine sehr hohe Zahl ist. Wir können zufrieden sein, wenn für diese noch Beschäftigung haben. Es geht ja fast überall kein Geschäft mehr und das deutsche Wirtschaftsleben scheint es bricht zusammen. Du brauchst dir übrigens darüber nicht den Kopf zu zerbrechen, denn du wirst es auch nicht ändern können. Übrigens haben wir das letzte Mal gar nicht so viele Leute ausgestellt, als die Zeitungen schrieben, nicht mal so viele wie wir vorhatten. Du machst dir ja keine Vorstellungen, wie viele Geschäftsleute die bisher in guten Verhältnissen waren, nicht mehr zahlen können.

Ihr könnte wirklich in eurem Säuglingsheim lachen! Wie schön ihr es dort habt, haben es keine anderen Säuglinge mehr. Auf das Oktoberfest werdet ihr geführt, da hört sich doch alles auf!...

Soeben hat es geschneit. Es ist zum Teufel holen! Zwar war der Sommer sehr kurz, dafür wird scheint es der Winter um so länger. Ich bin mit dem Motorrad im offenen Anzug vom Berg heraufgefahren, und die Eisluft ist mir durch die Kleider gefahren. Hoffentlich habe ich mich nicht noch erkältet auch. Es wird nun auch Zeit, dass man das Motorrad einsalzen tut...

1925 hat es schon im Oktober geschneit !

 

Brief vom 13.11.1925 an die Kinder:

.... Was ist es nun mit deiner Hose Poi? Hast sie hoffentlich wieder gefunden, denn du kannst ja doch nicht eine Hose verlieren, und gestohlen wird sie dir in deinem Säuglingsheim auch nicht. Wenn sie endgültig verloren sein würde, wäre dein Anzug auch unvollständig. Es müsste halt dann Tante Ju in München für dich eine Hose besorgen....

1925/26 wurden die Verträge von Locarno unterzeichnet. Sie traten am 10. September 1926 mit der Aufnahme von Deutschland in den Völkerbund in Kraft. Deutschland einerseits, Frankreich und Belgien andererseits verzichteten auf eine gewaltsame Veränderung ihrer im Friedensvertrag von Versailles gezogenen Grenzen, für die Großbritannien und Italien die Garantie übernahmen. Eine Revision der Ostgrenzen behielt Deutschland sich vor. Die Verträge führten zu einer Kabinettskrise.
In diesem Zusammenhang machte sich Oskar Gedanken, in Form einer 24 seitigen Schrift,  zu den Friedensverhandlungen. Die Ideen sind merkwürdig und weltfremd.

Insgesamt ist es ein Zeitdokument der Fehleinschätzung der politischen Machtlage. Politisch gesehen erscheint die Einstellung von der Kaiserzeit (Bedeutung der Kolonien) und von der Dolchstoßlegende (Kriegsschuld liegt nicht bei Deutschland) geprägt zu sein. Andererseits war er sicher kein Anhänger der radikalen Parteien.  Seine politische Gesinng war sicher konservativ - allerdings lehnte er die NSDAP ab. Mein Vater erwähnte die häufigen Diskussionen mit Oskar zu dem Thema. Ich glaube er ist auch später nicht der NSDAP beigetreten.

“Deutschlands Rettung!
Deutschlands Forderungen bei den Friedensverhandlungen
1. Ein vergrößertes Deutsch-Südwestafrika als Siedlungsgebiet
2. Venezuela als Interessengebiet
3. Ein Korridor nach dem Mittelmeer

Das ganze ist ein recht weltfremdes Dokument.
Die ersten 13 Seiten sind mehr eine Beschreibung der aktuellen Situation. Er vermutet eine Verarmung durch die Exportbeschränkungen und Überbevölkerung, Er fürchtet eine Auswanderungswelle und der Staat solle diesen etwas anbieten. Südwestafrika und Venezuela sollen die Siegerstaaten abgehandelt werden. Die deutsche Position wäre völlig unnötig durch die Anerkennung der Kriegsschuld geschwächt.

Seite7:”Die Deutschen können natürlich keine Forderungen stellen, so lange sie sich als schuldig an dem Krieg erklären. In diesem Falle können sie nicht mal fordern, daß sie am Leben gelassen werden. Denn wer soviel Unglück auf dem Gewissen hat, wie es dieser Krieg mit sich brachte, für den ist keine Strafe schwer genug, der würde eigentlich den Tod verdienen. Diese Selbstbeschuldigung Deutschlands wirkt auf jeden Angehörigen der ganzen Welt und man braucht sich nicht zu wundern, wenn wir als Aussätzige behandelt werden und unsere Gefangenen bespuckt werden. Mag hundert mal ein Kurt Eisner ein polnischer Jude sein, für die Franzosen ist er ein deutscher Kronzeuge für unsere Schuld...”

Deutschland solle in den Friedensverhandlungen die anderen Länder als kriegsschuldig anklagen und drohen, sonst würde das Land dem Kommunismus verfallen. Deutschland brauche Stützpunkte in Afrika (Südwestafrika wegen dem Sambesi-Strom) und in Südamerika (Venezuela wegen der Bodenschätze).
Er hat die Schrift Traktat verteilt, sie scheint in größerer Stückzahl gedruckt worden zu sein.

In der Einstellung den Juden gegenüber folgte er wohl den Vorurteilen der Propaganda.Zum Beispiel in einem Brief zum Erbrecht:

“Bei den Juden helfen sich die Mitglieder einer Sippe gegenseitig und dies ist auch ein Grund, warum die Juden alle schlechten Zeiten gut überstehen. Bei den Nichtjuden ist man von dieser Hilfe noch weit entfernt. (1943)”. Der Antisemitismus war in der Bevölkerung weit verbreitet und eben schon lange bevor die Nazis die Macht übernommen haben.

Von einem weitergehenden Antisemitismus konnte ich nichts finden. Leider weiß ich auch nicht warum er kein Nazi-Anhänger war.

1925 Familie
1925 Familie

Brief vom 11.3.1926 an Werner:

... Nun zu deiner Anfrage betreff Konfirmation. Wie ich darüber denke, weißt du nur zu genau. Geh, schenke mir dieses Theater, dass ich es ansehen soll und geh mache du nicht anderen und mir dieses Theater vor. Denn, das ist das Wichtigste, du glaubst ja im Ernste selber nicht, was du dort beschwören sollst. Es ist ja eine Art Treueschwur an die Kirche, und Treue soll man nicht geloben, wenn man nicht weiß ob man es wirklich halten kann. Ich habe dir schon Verschiedenes über den ganzen Fall gesagt und werde noch mehr über die Sache reden müssen, wenn du etwas älter geworden bist.

Die Hauptsache ist, dass du ein anständiger Kerl bleibst, dass du nicht den Kopf verlierst, wenn es einmal schief geht und Verantwortlichkeitsgefühl gegen deine Mitmenschen anerkennst. Diese ist mehr wert, als nur Gott und sich selbst Verantwortung schuldig zu sein, wie es jene erklären, die sich immer schön zurecht richten, so wie sie die Sache brauchen ....

 

Ostern 1926 kauft er einen Tank, also einen alten Panzer. Der alte Panzer sollte im Garten helfen (Baum rausreißen oder Wege befestigen). Sigi Bock erinnert sich auch noch an den “Raupenschlepper”, der in der Garage untergebracht war. Irgendwie hat der Tank sich aber nicht bewährt - jedenfalls wurde er nur einmal benutzt. Unterschrift “Tankarbeiten”. Ich erinnere mich nur dunkel an die Erzählungen meines Vaters, dass der Tank im Schuppen stand.

Baum rausziehen (Im Hintergrund sieht man die Brücke):

1926 Tank
1926 Tank

 

Der Anhänger (eine Rolle mit schweren Gewichten soll den Boden verdichten) wurde abenteuerlich vom Tank gezogen. Im Hintergrund sieht man den Pavillon. Oskar sitzt etwas ratlos aussehend auf dem Tank.

1926 Bodenverdichtung mit Tank
1926 Bodenverdichtung mit Tank

Brief vom Mai 1926 an Werner:

Heute ist hier Fliegertag und Amberg ist in begreiflicher Aufregung. Auf dem alten Köferinger Exerzierplatz werden ein paar Vögel fliegen. Vielleicht besteige ich auch diesen Pegasus - Der selige Pegasus flog nur mit einer Pferdekraft, und man sieht doch Fortschritt der Menschheit. .... Wenn ich so mein Freckerl [Hunde] aufwarten lasse, dann tun mir Herrn Professoren leid, die sich mit euch so plagen müssen, weil ihr so schwer begreift. Ein zweites Freckerl habe ich auch, und es it doch merkwürdig, wie ehrgeizig mit einem Schlage der alte Freckerl ist. Also gescheid ist er, das ist unglaublich. Habe ich ihn vor Kurzem auf einem Ameisenhaufen aufwarten lassen. Dann nach einer Weile schaut er an sich zurück, sieht die Ameisen, schiebt sich rechts und links ein bischen auf den Boden und läuft zum Sandhaufen. Dort setzt er sich oben auf, streckt die Hinterfüße voraus und fährt Schlitten auf dem Sand herunter. Seit dieser Zeit schaut er wenn ich ihn im Freien aufwarten lasse, jedes mal erst nach unten, ob nicht Ameisen da sind....

Nun gib mir ordentlich Obacht, dass dir beim Segeln nichts passiert...

 

Brief vom 10.6.1926 an die Kinder:

Wenn du aber meinst, dass kein Säugling von zu Haus so wenig Briefe bekommt, wie du, dann möchte ich dir doch im tiefsten Vertrauen gestehen, dass Eure Briefe alle kontrolliert werden, die ihr schreibt, und da habe ich eben erfahren, dass kein einziger Säugling so selten nach Hause schreibt, wie der Werner Baumann.

 

Brief vom 1.10.1926 an Werner:

....Hier herrscht, kann man sagen, seit zehn Tagen nicht etwa die Grippe, sondern die Gewerbeausstellung. Was da alles aufgezogen wird, ist wirklich zu verwundern. Vorigen Sonntag grandioser Umzug, am Dienstag wieder Säuglingsumzug, sehr schön übrigens, und eben war der Bürgermeister am Telephon, dass wir wieder uns beteiligen beim nächsten Sonntagsumzug. Beim Säuglingsumzug war unsere Firma auch mächtig beteiligt. Die Emailindustrie wurde versinnbildlicht. In der Ausstellung habe ich mit meiner Obstausstellung Effekt gemacht, den ersten Preis bekommen (eine silberne Medaille) Die Medaille habe ich noch nicht in Händen. Sie wird schon versilbert sein, nicht aus Silber, damit man sie nicht nachträglich etwa selber versilbert. Mein ausgestellter Mais wird zwar viel bestaunt, aber eingezeichnet hat sich nicht ein einziger Interessent, obwohl ich auf einem großen Plakat allerhand schöne Sachen hingeschrieben habe. Diese Oberpfälzer Bauern sind das Indolenteste was man sich denken kann. Eine große Festbierhalle ist da, wo die Amberger ihren Mann stellen und Heldentaten vollbringen würden, wenn ihr Geldbeutel nicht so schwach, wäre. Das ist nun heutzutage allgemeine Krankheit...

 

Die Medaille habe ich gefunden:

Medaille des "Kreisverbands Oberpfälzische Obst & Gartenbauvereine"
Medaille des "Kreisverbands Oberpfälzische Obst & Gartenbauvereine"

Brief vom 6.11.1926 an Werner:

... Mit meinem Mais habe ich eine Riesenwirtschaft und meine Versuche, den Mais nachzureifen und künstlich zu trocknen gelingen nicht so, wie ich es erwartet hatte. Es ist die Geschichte ganz enorm schwierig. Andernfalls wäre es von den Amerikanern schon erfunden ...

 

Oskar hat ein Zeitungsinserat in München aufgegeben um eine Frau zu finden. Es sind daraufhin so viele Antworten eingegangen, dass er sich nicht mehr zu helfen wußte als allen einen gemeinsamen Brief zu schreiben. Diesen Brief vom 12. März 1927 hat er alle verschickt im gewohnten Stil von ihm. Aus dem Brief wird auch die Sonderstellung von seiner Schwester Ju sichtbar, da er mit ihr die Antworten besprechen will. Ich weiß nicht, ob er sich tatsächlich mit einer der Damen getroffen hat.

 

Seine Antwort auf alle Zuschriften:

Auf mein Zeitungsinserat in den M. N. N. bekam ich eine solche Unzahl von Antworten, dass es praktisch unmöglich ist, jeder die Würdigung zu Teil werden zu lassen, die sie verdiente. Zudem verlangt ein grosser Teil der Einsenderinnen baldigste Antwort, offenbar in der Angst, ihr Schreiben sei in unrechte Hände gekommen. Nun bin ich aber erst Donnerstag nach München gefahren um die eingelaufenen Antworten zu holen. So bin ich denn gezwungen, so schnell als möglich einen Bescheid oder wenigstens einen Vorbescheid zu geben.

Ich sehe keinen anderen Ausweg, als nach ganz oberflächlicher Prüfung den den grössten Teil der Briefe sofort zurückzusenden und die Betreffenden mögen also - und ich bitte darum - in der Rücksendung nicht ein abfälliges Werturteil sehen.

Alle Einsenderinnen haben wohl mit einem Stück Herzen geschrieben, und es wäre deshalb brutal, einen solchen Brief in den Papierkorb zu werfen. Im Gegenteil, alle, haben das Recht, dass auf ihre Ausführungen eingegangen wird. So weiss ich keinen anderen Ausweg, als den, an alle den gleichen Brief Brief zu schreiben, der von mir selbst mit der Maschine geschrieben und vervielfältigt wird. Es liegt ja in der Natur der Sache, dass die zugesandten Briefe im Allgemeinen ungefähr das Gleiche enthalten, wenigstens dass gruppenweise, wenn ich so sagen darf, immer das Gleiche sich wiederholt. Wie könnte es zunächst auch anders sein.

Nun erzähle ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen, meine Empfindungen und Gedanken, die ich gestern und heute beim Lesen der Briefe hatte. --- Es gehört sich, dass ich mich zuerst vorstelle. Hier aber kommt schon der wunde Punkt, denn ich unterlasse dies und tue es erst gegenüber all jenen Damen, bei welchen ich eine weitere Annäherung suche. Ich tue dies meiner Zukünftigen wegen, der es wohl sehr peinlich wäre, wenn bekannt würde, wie sie zum Heiden gekommen ist. Wozu soll ich mich noch bekannt geben? Dass, ich nicht ein Heiratsschwindler bin, wie man in einem Briefe sogar offen vermutete, dürfen Sie also immer noch glauben.

Im Nachfolgenden werden mal die Einen und dann die anderen die Antwort auf ihren Brief finden und wenn ich einigen etwas Unangenehmes sagen würde, mögen sie dies als einen guten Rat beherzigen - dieser ist häufig unangenehm - und sie hören auch den Grund der Ablehnung, den ja wohl jede wissen mochte. Ich bilde mir dabei aber keinesfalls ein, dass die Betroffne mir Recht gibt.

Ich schrieb: "Dame zwischen 25 und 30 Jahre." Da muss ich schon fragen: Was hat es für einen Sinn, wenn Damen bis Ende 40 ( also wahrscheinlich Anfang 50) an mich schrieben. Wenn ich den wirklichen Grund für die Rücksendung sagen würde, dann bin ich unhöflich. Umgekehrt lässt mich eine Dame aus ihren drei Töchtern von 16 bis 22 Jahren auswählen. Diese Dame ist ohne Spott gesagt, eine gescheite Frau und sie schreibt sehr nett. Ich bin der letzte, der an sich schon verurteilen würde, auch wenn ich nicht der Ausgezeichnete wäre. Sie hat, scheint es, sehr Sorge um die Zukunft ihrer Töchter und weiss gut die Bedeutung guter Lebensverhältnisse für die Gestaltung der Ehe. Ich möchte ihre Ausführungen mal bildlich wiedergeben: Ein Mann, der ein unbeschriebenes Blatt als Frau bekommt, kann noch einschreiben, was er will und je mehr schönes er einschreibt, um so mehr Schönes steht schliesslich drin. Er bekommt schließlich die Frau, die er verdient. Wenn man weiß, wieviel Männer ein beschriebenes Buch heiraten, ohne es zu wissen, lernt man den ersteren Standpunkt würdigen. Aaaber, aaber, bei aller Klugheit: In 15 Jahren ist solch ein Mädel eine Frau auf dem Höhepunkt des Lebens, ich aber bin in 15 Jahren 60 Jahre alt und bin sechzigjährig! Beim Spaziergang: Er ist alt und sie ist jung und hinen geht ein Jüngelungl Und zu Hause? Das alte Motiv für so viele Kinodramen! Er kann für sich fordern die Rechte der Konvention des Eides, vielleicht der Dankbarkeit und die Bitte der Schonung der Ehre, sie aber verlangt für sich die Rechte des lebenden Lebens, des jungen kräftigen Lebens, das sich stärker zeigt als alle Konvention, wenn die Liebe z einem entsprechend jügee Mann sich einstellen sollte. Bei armen Leuten ist eine Frau mit 35 Jahren meistens so abgearbeitet, dass sie zu einem alten Mann passt, in den gut gestellten Kreisen aber ist vielleicht die Frau in diesen Jahren hoch zu Ross. Aus einem solchen Konflikt gibt es keinen guten Ausweg ausser der liebe Gott hat ein Erbarmen und nimmt den alten zu sich in den Himmel, der diesem dann vielleicht doppelt himmlisch vorkommt. Wenn aber die Frau alle Gefühle, vielleicht der Ehre wegen unterdrückt, ist es dann für sie nicht auch ein Martyrium? Man braucht mit 60 Jahren noch nicht alt sein, aber leicht möglich ist es. Dies sei all also jenen gesagt, die noch so ganz jung sind, und an mich schrieben.

Nun zu einer anderen Seite: Es schrieben eine ganze Anzahl hoch musikalischer Damen und sie werden, wohl alle gleich zu Anfang ihren Brief zurückbekommen. Ich liebe sehr die Musik, bin aber nicht hochmusikalisch. Ich kenne zwei Ehen, von denen die eine ideal und die andere sehr gut ist, und in welchen die Frau hochmusikalisch ist. Aber die anderen Damen, die ich als hochmusikalisch kenne, sind fast alle leidenschaftlich, sind alle nervös, denn viel Musik frisst an den Nerven und haben Stimmungen, wie auch sonst Künstler. Sie gehen leicht zu sehr in der Musik auf und so wertvoll diese auch sein kann das ganze Leben macht sie auch nicht aus und Einseitigkeit ist mir in jedem Fall unerwünscht, ich sagte: Künstlerinnen haben Stimmungen weniger höflich nennt man es Launen. Launenhaftigkeit einer Frau! Ein Vorgeschmack zur Hölle im ehelichen Himmel! Ich mochte eine hochmusikalische Frau auch deshalb nicht, ich sage es ganz offen - weil eine solche Frau in der Regel nicht mit sich allein zu musizieren pflegt und früher oder/spater ein Künstler auf dem Plan erscheint. Ich brauche aber keinen Hausfreund, da ich einen Kater aber schon verjagen würde, bevor er richtig zu miauen anfängt, würde leicht die hochmusikalische Frau über ihren brutalen Mann, der die harmlosen Künstler schlecht macht, mehr und mehr unglücklich werden und einsehe dass er doch ihr ganzes Wesen nicht versteht. Künstlerische Naturen bedürfen vielleicht der Romantik und ich wünschte mir eine ganz unromantische Ehe. Diese Ausführungen mögen auch die anderen Einsenderinnen beachten soweit sie ähnlich eingestellt sind.

Ich komme nun auf andere Briefe zu sprechen. Es schrieben an mich Damen aus Norddeutschland, aus /Ostdeutschland, eine sogar von der Riviera. Nachdem ich aber noch nicht mal weiss, wie ich die Damen die hier sind, wirklich kennen lernen kann, wird man es mir verübeln können, wenn ich nicht Knopps Nachfolger wjerden und auf die Reise zur Brautsuche gehen will.

Eine ganze Reihe geschiedener Frauen hat an mich geschrieben. Wenn ich auch den Standpunkt vertrete, dass in solchen Fällen meistens beide Seiten schuld sind, so mag schon die Schuld des einen Teils so viel kleiner sein, dass sie zurücktritt. Zudem noch, wer handelt fehlerlos? Ich aber interessiere mich nicht für die Privatangelegenheiten anderer, kann es auch nicht and sende aus diesem Grunde diese Schreiben zurück. Ich gebe zu, dass auf solchen Gebiet ein Mann wirklichen Idealismus zeigen und in moderner Form einen Ritter spielen kann, ich schäme mich nicht zu bekennen, dass ich dazu zu nüchtern geworden bin.

Nun zu anderen Fällen: ich habe unter den unbedingten Erfordernissen aufgeführt: Natürliche Schönheit. Nun müssen aber viele Damen selber zugeben und sogar das Lichtbild bestätigt es schonungslos, dass sie wirklich nicht schön sind. Wozu sollen solche Schreiben? Hält man mich für einen Mann, der nicht weiss was er will? Ich hatte eine sehr schöne Frau, die auch in ihrer Seele schön war. Warum sollen nicht noch mehr schöne Frauen auch gut sein können? Eine unschöne Frau kann sich auch noch in ihrer Art als hässlich herausstellen. Ich will aber gerne zugeben, dass außergewöhnliche Vorzüge den Mangel an Körperschönheit ersetzen können. Immerhin bitte ich die Damen, die man nicht als schön bezeichnen kann, und die mit schönen Worten die Sache umgangen haben, mir dies noch mitzuteilen, wenn ich ihre Briefe noch besitze. Man sage nicht, über den Begriff Schönheit lasse sich streiten! Wer schön ist, weiss dies schon, und er soll es nur sagen, denn wenn auch Schönheit noch nicht den ganzen Menschen ausmacht, ein grosser Vorzug ist sie auf die man stolz sein darf.

Damit komme ich auf eine Frage zu sprechen, die vielleicht manche Einsenderin an mich stellt: Warum hat er nicht eine Stunde Zeit, damit man sich mal aussprechen könnte, und dann könnte man ja ohne jede Bitterkeit auseinander gehen? Wozu sollte dies dienen bei all den vielen? Wohl bilden sich die meisten Frauen ein, sie hätten einen solch guten Riecher, dass sie ihre Mitmenschen schon nach dem ersten Eindruck richtig beurteilen könnten. lch aber habe ihn nicht und auf dem Gebiet der Liebe haben ihn die Frauen jedenfalls auch nicht, sonst gäbe es nicht so viele Ehen, in welchen nicht die richtigen Menschen zusammengekommen sind. Ja man kann vielleicht sagen, meistens kommen nicht die passenden Menschen zusammen, lch sehe ganz davon ab, dass ich auch nicht die Zeit und noch weniger die Lust hätte, wer weiss wie lange Abend für Abend mit einer anderen zu schmusen und sie zu vergleichen. Manche der Leserinnen wird sich vielleicht dabei denken: Um dabei schliesslich doch nur der besten Schauspielerin in die Hände zu fallen, während ich anders sage: Am Schluss braucht er überhaupt keine Frau mehr, denn dann ist er tot oder übergeschnappt. Also es mag wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich eben mal zu sprechen, aber dies geht auch nur für einen kleineren Kreis und kennen lernen wird man sich dabei auch nicht. Kennen lernt man einen Menschen nur in besonderen Fällen, also wenn er sich gehen lassen kann, oder in kritischen Fällen, wenn es auf den Menschen ankommt. Dann erst zeigt es sioh, was für ein Kern im Menschen steckt. So bleibt eben das Heiraten doch immer ein Stück Hasardspiel und dies einer, der Gründe, warum ich schon lange Witwer bin.

Ich habe bis jetzt noch keine Frau gesucht und noch weniger den Weg des Zeitungsinserates beschritten. Meine erste Frau habe ich durch Zufall gefunden, natürlich als ich gar keine Frau sichte. Nun aber will ich doch wieder heiraten, wenn es mir auch nicht gerade pressiert. Da ich in einer katholischen Gegend wohne, selber aber freigeistig bin, wenn ich auch aus der protestantischen Gemeinde nicht austrete, zudem auch sehr anspruchsvoll bin, so sehe ich mich eben zu diesem dämlichen Zeitungsinserat gezwungen. Denn wenn ich auch oft von Hause fortkomme, ich wüsste nicht wie ich in anderen Städten zu einer Frau kommen sollte. Auf der Strasse quatsche ich keine Dame an und so angebracht es ist, wenn wenn ein Mädel einen Verwandten vorschickt, für einen Mann ist es doch ein Armutszeugniss. Nunmehr aber kommt mir zu Bewusstsein, dass der Weg, den ich nun beschritten habe, auch nicht so einfach ist, als ich dachte.

Wie ich schon ausführte, weiss ich noch nicht, was ich mit den Briefen anfangen soll, die mir entsprechen. Den gordischen Knoten zu durchhauen, wäre auch ein Unsinn, es bleibt also nichts übrig, als so im Laufe der Zeit mal diese und dann vielleicht eine andere Dame um ein Zusammentreffen zu bitten. Dass ich dergleichen ohne Unterbrechungen machen könnte, liegt mir nicht, ebenso dass ich mit mehreren gleichzeitig in Briefwechsel stehe. Ich möchte also die Briefe noch längere Zeit behalten, unter der Voraussetzung, dass sie nicht vorher zurückgefordert werden. Dann werden die Damen sie unverzüglich bekommen. Diese Damen mögen Anfang April postlagernd nach Nürnberg (Hauuptpostlagernd) schreiben unter der Chiffre Grebnrün, die Umkehrung des Wortes Nürnberg, was sich leicht merken lässt. Ich wohne nämlich viel näher an Nürnberg als an München, lch mache auf noch etwas aufmerksam. Ich habe vor, meine Schwester zuzuziehen, dazu aber habe ich vorläufig noch kein Recht. Ich werde dies erst tun wenn Anfang April kein Brief dies untersagt für einen bestimmten Brief natürl. Sollte ich meine Zukünftige gefunden haben, dann werden alle Briefe unverzüglich zurückgesandt und auch sie wird die Briefe nicht zu lesen bekommen.

Ich möchte noch vor dem April einen Bericht über meine " werte" Persönlichkeit Ihnen zuschicken und dann wird wohl die eine oder andere sehen, dass ich nicht zu ihr passe und ihre Sachen zurückverlangen, Das ist mir nicht unangenehm, denn dann wird für mich das Ausscheiden leichter.

Ich habe auch den heutigen Brief deshalb an alle gesandt, damit Sie sich bereits ein Bildchen von mir machen können. Sie können nämlich schon daraus etwas über meine Art entnehmen, wenn ich auch zu gut dabei wegkomme. Denn das ofte Diktieren in die Maschine macht den Menschen natürlich schreibgewandter und er lernt es seine Gedanken zu ordnen. Für das Eheglück aber macht das nicht viel aus.

Freundl. Grüße

 

Am 24.3.1927 wurde Babette Baumann, die Frau vom verstorbenen Erhard Baumann, von ihrem Gärtner in der Villa vom Philosophenweg umgebracht. Dazu hat er am 25.3.1927 einen Brief geschrieben:

Mein liebes Kind!

Vielleicht hast du es schon von anderer Seite erfahren: Gestern Donnerstag früh wurde Tante Bärbl von ihrem eignen Gärtner Riedel in grauenhafter Weise ermordet. Warum und weshalb ist mir selbst noch schleierhaft. Es gab nur eine nebensächliche Auseinandersetzung wegen der Dampfheizung und der Kerl wurde so rabiat, dass er mit einem Gärtnermesser der Bärbl einen furchtbaren Schnitt durch die Kehle beibrachte, so dass sie sofort tot war. Der Anblick war schrecklich. Hans hat mir telefoniert und ich bin in Eile auf den Berg, glaubte zuerst es würde eine Schiesserei mit dem Kerl noch geben, aber der war ganz ruhig und benahm sich so, wie wenn überhaupt nichts geschehen wäre. Auch nachträglich war er nicht anders. -- Es war ein schrecklicher Tag. Auch jetzt kann ich die Sache noch nicht ganz fassen, obwohl ich doch so viel dort war und eigentlich ziemlich früh dazu kam. Allerdings war natürlich Bärbl schon tot, wie ich kam.

Die Tante Bärbl war immer gut und war eine aufrichtige und gescheite Frau. Mir tut es heute leid, dass ich eigentlich doch wenig mit ihr zusammengekommen bin. Solche Vorwürfe macht man sich oft, wenn ein lieber Verwandter verstorben ist. Dann merkt man doch wieder wie man sein Leben verlebt und zieht es doch nicht ganz richtig auf. Dich hatte Tante Bärbl sehr lieb! Du hast in ihr wirklich einen guten Freund verloren und dieses ist im Leben viel wert. Auch ich sehe in ihr einen guten Freund, der nicht mehr lebt. --

Heute nacht kommt Tante Ju und morgen Mittag kommt Hans von Schondorf. Sonst ist nichts von Bedeutung und ich grüße dich herzlich Dein treuer Vater.

Theodor Sehmer (1885-1979)
Theodor Sehmer (1885-1979)

Nach der Ermordung von Babette Baumann 1927 fiel ihr Erbe an Hans - er tritt in die Firma ein - und seine beiden Schwestern Brunhilde und Else. Else war mit Theodor Sehmer verheiratet. Die Erbauseinandersetzung wird ein Thema über viele Jahre. 1933 hat Oskar eine längere Schrift verfasst (siehe unten).
Wer war Dr. Theodor Sehmer? Im Siemens-Archiv heißt es: “der Mann der Siemens nach Erlangen brachte”.

Im Siemens Archiv (die Quelle gibt es im internet nicht mehr: http://www.med-archiv.de/persoenlichkeiten/sehmer.php?lang=de) gibt es über ihn einen Artikel über ihn mit der Überschrift: Theodor Sehmer (1885-1979) - der Mann, 'der Siemens nach Erlangen brachte'
Theodor Sehmer wurde am 2. Juni 1885 als Sohn des Gründers der Maschinen- und Turbinenfabrik Ehrhardt & Sehmer in St. Johann / Saarbrücken geboren.
Nach dem Abitur studierte er zunächst Maschinenbau, dann Volkswirtschaft und Weltwirtschaft an der Universität Kiel. 1911 promovierte er zum Dr. phil.. 1921 wurde Sehmer in der Vorstand der Inag (Industrie-Unternehmungen AG) berufen. Dies war eine Holdinggesellschaft für eine Reihe von in- und ausländischen Beteiligungen der RGS in Erlangen.
RGS (Reiniger, Geppert & Schall - Hersteller von elektromedizinische Erzeugnisse und Röntgengeräte) geriet in dieser Zeit zunehmend zwischen die Fänge von Weltwirtschaftkrise und Inflation einerseits und unternehmensschädigende Aktionen eines seiner Vorstandsmitglieder andererseits. Im November 1923 erfolgte die Umstellung auf Rentenmark. Diese führte dazu, dass sich die Lage der Unternehmen, die unter den scheinbaren Inflationsgewinnen nicht schlecht schien, plötzlich sehr ernst gestaltete. RGS hatte nun 6 Millionen Goldmark Schulden bei einem Aktienkapital von ca. 3,5 Millionen. Die Schulden war mit 24 % verzinst. Die Bank, die das Geld geliehen hatte, forderte einen Großteil der geleisteten Beträge zurück
Sehmer, der seit dem Zusammenschluss Vorstandsmitglied von RGS war, wollte dem drohenden Konkurs durch Verkauf der RGS- und Inag-Aktien entgegensteuern, die besagtes Vorstandsmitglied als Entschädigung für seine Veruntreuung zurückgegeben hatte. Theodor Sehmer, der als Wirtschaftsjurist sowohl für S&H als auch für RGS und die INAG tätig war, machte im Sommer 1924 einen Vorstoß bei Carl Friedrich v. Siemens. Es gelang Anfang des Jahres 1925, die RGS-Aktien zu 200 % und die INAG-Aktien zu 100 % an Siemens & Halske zu verkaufen, was einer Summe von 6 Mio. Mark entsprach. Siemens übernahm Anfang 1925 die gesamten Finanzen, die Fabrikation und die Vertriebsorganisation von RGS im In- und Ausland. ...
Sehmer gelang es, S & H zu veranlassen, ihre Fabrikation von medizinisch-technischen Produkten zum größten Teil von Berlin nach Erlangen zu verlegen.
Sehmer leistete fast 20 Jahre lang mühevolle Aufbauarbeit im Ausland, er initiierte Niederlassungen in 19 Ländern und stellte eine weltweite Vertriebsorganisation auf die Beine.
Nach dem Krieg leistete Sehmer, der mit Max Anderlohr die Vorstandsgeschäfte von RGS leitete, unermüdliche Wiederaufbauarbeit, vor allem in Süd- und Mittelamerika. ...Da die zivile Luftfahrt den Deutschen unmittelbar nach dem Krieg verwehrt blieb, reiste Sehmer wochenlang auf dem Seeweg und war zum Teil bis zu 200 Tage im Jahr unterwegs.
Sehmer schied 1956 aus der Firma aus und wurde .. in den Aufsichtsrat von SRW berufen. Zu dieser Zeit waren im Erlanger Betrieb aufgrund der erheblichen Vergrößerung des Werks und des erhöhten Umsatzes wesentlich mehr Menschen als vor dem Krieg beschäftigt, nämlich ca. 3300.
Sehmer war mit Elsa geb. Baumann aus Amberg verheiratet. Sie hatten 2 Söhne und eine Tochter. Im Krieg verloren sie beide Söhne; Tochter Gabriele Maria Sehmer verbringt ihren Lebensabend in der väterlichen Privatklinik am Tegernsee. Theodor Sehmer verstarb am 15. März 1979 94jährig in Tegernsee.”

Die Dramatik Erbfolge in Amberg der damaligen Tage 1927 wird in einem Brief geschildert.

Nach dem wir beisammen waren, wurde nur wenige Minuten über den Trauerfall besprochen. Dann kam die Frage “was soll jetzt also geschehen”. Es wurde nun Herr Lippold .. gerufen .. In der Verhandlung, die in streng sachlicher Form geführt wurde, wurde nicht ein einziger Satz gesprochen, der nicht zur Sache gehört hätte. Der Gang der Besprechung und dann das Resultat waren gewissermaßen naturgegeben. Herr Sehmer erklärt: Wie es der Wunsch der Eltern war, soll Hans den Anteil erhalten und die beiden Schwestern werden sowohl durch die Höhe ihrer Forderung, wie auch durch die Form der Zahlung alles tun, ihm die Übernahme zu ermöglichen. Es folgte nunmehr die Besprechung der Höhe des Betrags den Hans an seine Schwestern bezahlen könne ...Herr Sehmer glaubte nun einen geschickten Schachzug machen zu können, indem er erklärte, die Annahme der Bilanz des Jahres 24 sei die einfachste Lösung. Das hätte einen Betrag von 600 000 Mark für die Schwestern ergeben. Hier setzte nun mein Kampf für Hans ein, denn Hans hatte fast zu allen geschwiegen ...Es war mir also vollkommen klar, dass dereinst Sehmer in den Firmenbetrieb einreden wird, wenn Hans seine Verpflichtungen nicht erfüllen kann .. Das war der Hauptgrund warum ich auf Hans einredete “das kannst du nicht bezahlen” ...Nun kam der längste Teile der Besprechung, wie ist die Zukunft der Firma zu beurteilen. Ich wies eingehend auf Aluminium, .. Zollschranken, ..Verarmung des Mittelstandes, .. Ausbau neuerer Emailindustrie hin. Es war aber gerade ein kleiner Geschäftsaufschwung in der Wirtschaft gewesen .. Herr Sehmer konnte ich nicht umstimmen. Das einzige worauf er sich noch verstehen wollte, war sein Vorschlag von 300 000 Mark auf 250 000 Mark herabgehen zu wollen... Die Debatte drehte sich wieder um die Zukunft der Firma. Herr Sehmer war sehr optimistisch, Herr Georg Baumann ziemlich optimistisch, Herr Lippold mehr pessimistisch und ich ganz pessimistisch. Da war der Vorschlag von Herrn Sehmer “wir verschieben die Festsetzung des Betrages auf später und die drei Erben behalten einstweilen gemeinschaftlich den Anteil”. Hans wandte nun ein “Dann muß ich später vielleicht noch mehr bezahlen”. Herr Sehmer erwiderte nun: Gut dann geben wir dir eine Option, so dass du zum Preis von sechs hundert Tausend Mark auf jeden Fall den ganzen Anteil übernehmen kannst”. Herr Sehmer schlug 3 Jahre vor, die für Hans genügend Zeit seien...” Sollten die Zeiten doch schlechter werden, dann können die Geschwister immer zusammenkommen und den Übernahmepreis verhandeln” Dieser Vorschlag fand allgemein Beifall.

Herr Sehmer ging wieder nach Berlin. Die allgemeine Wirtschaftslage verschlechterte sich.. Herr Sehmer kam nach einer Reihe von Monaten wieder, liess sich beim Kassier die Bücher vorlegen, erschien dann bei uns und es trug sich die jedem Teilnehmer unvergessliche Begebenheit zu: Herr Sehmer nahm mit todernster Miene Platz und erklärte: ”Ich habe nunmehr die Bücher eingesehen - nun machte er zur Erhöhung der Wirkung eine Pause - die Firma ist reif zur Liquidation!” Es folgte eine eisige Stille im Zimmer, aber dann erhoben wir Widerspruch und erklärten: Die Lage ist nicht günstig, aber so schlimm steht es doch nicht! Wir haben ja wohl Bankschulden, aber wir haben auch große Sachwerte! Die Bewertung der Sachwerte ließ Herr Sehmer prinzipiell nicht gelten...

Heute streitet er die Beschlussfassung an ersten Sonntag ab... man sei überhaupt zu keinem Beschluss gekommen ...Er behauptet man habe des Essens wegen die Besprechung abgebrochen ... er erfindet alle seien bei Herrn Georg Baumann eingeladen gewesen...

 

Diese Erbauseinandersetzung eskaliert in einen langen Rechtsstreit.

Werner schreibt am 4.6.1931 an Elisabeth von einem Besuch von Vater bei ihm: “Verhandlungen wegen Sehmer. Der alte Schlawiner war selbst da, natürlich die Freundlichkeit selbst, no ja den ganzen Zimt kann man nicht schreiben. Jedenfalls ist die ganze Sache noch sehr viel besser ausgegangen als ich bedacht habe. Es hätte nämlich unter Umständen das Schicksal der Fabrik heute besiegelt werden können”.

 

Es gibt einen kleinen Akt mit seinen Briefentwürfen.

Oskar schreibt 1933 einen wütenden Brief an den Anwalt von Hans zur Weiterleitung an die Gegenseite. Es sind 17 Seiten, in denen Dr. Sehmer wüst beschimpft wird und die Übernahme der RGS durch Siemens aus Oskars Sicht geschildert wird:

“...Wir wollen nicht länger aneinander vorbeireden, Herr Sehmer: der wegen stinkender Geschäfte nachträglich berühmt gewordene Dr. Z., suchte sich einen Mann, der keine Skrupel mehr kannte. Als er Sie sah, da war ihm klar dass sie der Mann seien... Und nun brachten Sie, Herr Doktor, eines der raffiniertesten Gaunerstückchen fertig... Sie erreichten es dass Ihnen nun das Aktienpaket in die Hände viel, daß der Firma gehörte bei der sie angestellt waren und sie verwerteten es genau so, wie wenn es Ihnen selbst gehörte... Eine halbe Million musste Ihnen in bar ausgezahlt werden, wenn man die Jahresratenzahlung nicht einhalten würde. Dazu bekamen sie noch an die 80.000 Mark gleich auf die Hand...

Bevor ich nun Sie an den uns empfohlenen Scheinvertrag und betrügerischen Bankrott erinnere ... Sie haben.. seit sie in die Firma kamen, nur darüber nachgedacht, wie sie ihre Teilhaber an der Firma zu Fall bringen könnten. Wieder sehen wir eine Lücke des Gesetzes. Es ist einer ein neuntel Teilhaber einer Firma und er kann die Firma ruinieren.... Wenn man von Ihnen ein Bild zeichnen wollte, müsste man einen Satz obenan zeichnen, der sie richtig charakterisiert. Sie sagten einst zu Hans: Mit deinem Eintritt in die Firma hast Du uns die Möglichkeit genommen, die Onkels aus der Fabrik zu werfen. Du hast damit bewiesen, dass du kein Kaufmann bist und dass Du kein Kaufmann wirst.... Also sie wissen selbst, dass zu Lumpereien und Schurkereien ein ganz gewisse Charakter gehört, den man eben haben muß. Später einmal sagten sie dann zu ihrem Schwager: Machen wir nur einen hohen Preis aus, das müssen ja dann die Onkels bezahlen und ich kann Dir dann davon abgeben. Also wieder ein aufgelegter Betrugsplan! ... Was so tief traurig ist, ist jener Umstand, dass Ihre Frau vollkommen versehmert und ganz outbaumannt ist. Ich war entsetzt über ihre Worte und Einstellung: Natürlich haben wir kein Recht, aber die Onkels sind doch in der ZwickZwicke und dass muss man sich doch bezahlen lassen. Das Wort Zwicke kennt man hier nicht, sie hat es von Ihnen...

Immer wieder kam der dereine oder andere (Baumänner) in gewisse Geldschwierigkeiten und dann halfen sie sich gegenseitig aus. Das war eine Selbstverständlichkeit unter den Familien...

Der Eintritt Sehmers in eine Firma als Teilhaber bedeutet für diese Firma nicht viel weniger als ein Todesurteil. Erinnern wir uns jener Wochen, die ich niemals vergessen werde, als die Firma in größte Schwierigkeiten kam und es um ein Haar soweit war, dass man die Arbeiter nicht hätte auszahlen können. Das wäre damals etwas unerhörtes gewesen. Ich habe die ersten grauen Haare bekommen. Aber sie sahen ihre Zeit als gekommen an! Sie hatten einen Passus des Gesellschaftsvertrages sich zu einem Strick gewunden, den sie Ihren Onkels um den Hals werfen zu können hofften...

Sie werden nicht als Hyäne des Schlachtfeldes die Leichen der Firma Baumann berauben können, den schönen Traum lassen sie am besten gleich entschwinden! Und wir alle sind auch dagegen, dass sie als Kommanditist wieder aufgenommen werden...

 

Der Anwalt von Hans schreibt sachlich zurück:

“In der Anlage schicke ich Ihren Briefentwurf zurück. Ich rate von einer Absendung dringend ab ... Ich glaube nicht, daß sich Dr. Sehmer durch ihre Briefe irgendwie in seiner Prozeßhaltung beeinflussen lässt. Andererseits enthält das Schreiben eine ganze Reihe von persönlichen Beleidigungen, die meiner Ansicht nach im Fall einer Klage zu Ihrer Verurteilung führen müssen... Abgesehen davon halte ich die Beweisbarkeit durchaus nicht für so glatt gegeben, als Sie zu meinen scheinen. Legt aber Dr. Sehmer den Brief dem Prozeßgericht vor, bekommt das Gericht vielleicht den peinlichen Eindruck, daß durch persönliche Beschimpfungen der Sache nachgeholfen werden soll und wird eher Ihren Gegner als den objektiven betrachten.”

Es wird offensichtlich, dass Oskar durchaus beleidigend formulieren konnte.

 

Wie Sehmer diese starke Position bekommen konnte gegenüber den anderen Teilhabern erscheint im ersten Moment überraschend - eigentlich müsste es ja das Problem von Hans sein. Vielleicht ist im Folgenden ein Hinweis: Verweigerung der Kreditaufnahme:

Sie rechnen uns vor, dass es zweckmäßiger wäre, jetzt die Fabrik zu schliessen. Die Frage was wird aus den 400 Arbeitern und Familienvätern, die auf die Strasse gesetzt werden, wenn sie uns die Kreditaufnahme verweigern, hat sie bisher noch keine Sekunde beschäftigt ....

Was nun die Bewilligung der Kreditaufnahme betrifft... Was sie uns raten betr. Stillegung habe ich mir schon lange vorgerechnet ... Würde ich lediglich rechnen ... würde ich schon lange für eine Schließung eingetreten sein... Die Fabrik würde ja auch nicht weiter arbeiten, auch wenn ich Ihnen vorher mein Hab und Gut vermache ...

 

Den neuen Raubzugsplan, den sie uns vorlegen, der nicht ein Gesellschaftsvertrag mit den anderen Teilhabern, sondern gegen die anderen Teilhaber ist, unterschreibe ich niemals. Das könnte könnte Ihnen so heraushängen, dass die Erbengemeinschaft, in der sie sich ja doch bald die Herrschaft verschaffen würden, die Majorität in der Firma erhalten soll!

 

Nach dem Gesellschaftsvertrag verlangt ein Kredit die Zustimmung aller Teilhaber. Dadurch kann er sicher die Firma in schwierigen Zeiten blockieren. Andererseits schadet er dem Wert seines Anteils, wenn die Firma nicht arbeitet.

Der Prozeß wurde erst in den 50ziger Jahren beigelegt.

Brief vom 25.9.1927 an Elisabeth:

Vor ein paar Tagen war ich in Nürnberg. Extra bin ich nach der Verkaufsstelle der Mittelstandshilfe gegangen, um meinen lieben Maigerl etwas zu kaufen. Es gab nur sehr wenig Auswahl, eigentlich gar nichts. Da habe ich dir eine Quürke und ein Quückel gekauft, die dir zugehen werden. Ich hätte gern noch etwas spaßigeres gekauft, aber es war nichts zu haben.....

Es freut mich, dass du schön deine Gymnastik treibst, damit der bekannte alte Knochen ins kleine Buckelchen hineingedrückt wird.

Hier war eine von München aus veranstaltete Gemäldeausstellung. Aber es wurde, nichts verkauft. Hier hat niemand Geld übrig.

 

Brief vom 26.10.1927 an Elisabeth:

... Das Auto ist jetzt pensioniert fürs heurige Jahr und ich freue mich an meinem schönen Berg...

 

Brief vom 7.11.1927 an Werner:

Mein lieber Junge,

Wenn ich zur Jetzt Zeit wenig schreibe, dann kann man es mir vvirklich nicht übel nehmen, denn man hat es jetzt wirklich nicht leicht. Ich kann natürlich dir die Verhältnisse nicht auseinander setzen und ich erwarte, dass du zu niemanden darüber sprichst. Da will ich dich also einweihen, dass Sehmer und Brunhilde keine Freundschaft kennen, sondern ihr Geld wollen oder Bedingungen uns stellen, die wir nicht eingehen können. Wie diese Sache weitergeht, ist nicht abzusehen, die Lage ist äusserst ernst.

Was du in deinem letzten Brief über deine Sportleistungen geschrieben hast, hat mich sehr erfreut, ich hoffe dass auch deine schulischen Erfolge zufriedenstellend sind.

Dass mich die derzeitigen Verhältnisse recht deprimieren, kannst du dir vorstellen.

Es liegt nichts vor, was für dich interessant sein könnte. Vielleicht bekommen wir in der Fabrik einen neuen Artikel, der uns Geld bringt. Aber niemand hat derzeitig Geld, nicht mal die Banken und man kann immer wieder die grössten Enttäuschungen erleben.

Es hat keinen Zweck, wenn du dir Sorgen darüber machst, denn du kannst damit nichts bessern.

Klein Mesterchen schreibt mir sehr nette Briefe und wartet nicht so peinlich darauf, dass erst ich wieder geschrieben haben muss, bis sie wieder schreibt.

Halte dich gesund, studiere fleißig und sei herzlich gegrüsst von deinen dich liebenden Vater.

1927 Weihnachten
1927 Weihnachten

Weihnachten 1927. Oskar ist 47 Jahre alt und seine Kinder Werner 16 und Elisabeth ist 13. Es war wohl eher kühl, Oskar und Werner tragen Filzpantoffel, Elisabeth Wollstrümpfe und Halbschuhe. Mädchen in Filzpantoffel passt auch nicht so richtig.

Der Baum steht im Eingangsbereich des Hauses. Hund Astor feiert auch mit.

 

In einem nicht datierten Brief (zwischen 1927-1929) schreibt er an seine Kinder:

.. Es hat sich bei mir nicht besonderes zugetragen, während ihr die größten Reisen gemacht habt, und zwar Lustreisen, während bei mir die Geschäftsreisen alles andere als ein Vergnügen sind... Im Geschäft geht es so weiter, es könnte besser sein, aber auch schlechter. Bei einem Tanzabend im Casino war ich hier auch mal. Bin aber bald nach Haus gegangen. Bin schon zu fad geworden für diese Herumhüpferei..

Mein Geburtstag ist ohne irgend welche Besonderheit vergangen und ich hätte beinahe darauf vergessen, wenn man mir nicht gratuliert hätte. Aber abends bekam ich wieder das sehr nette Ständerl von der Erheiterung (Gesangsverein der Firma, der bei jeden Geburtstag zu Oskar kommt) das mich doch sehr gefreut hat.

Dass ihr nun regelmäßig Eure Packete erhaltet, habe ich angeordnet.

Habe heute den Brief von meinem Maigerl erhalten und mich über die Lichtbilder gefreut. Wie viele Bilder daneben gegangen sind, darüber schweigt einstweilen des Sängers Höflichkeit. Aber es wird sich noch machen. Diese Bilder werden mal eine schöne Erinnerung sein... Das mein Maigerl so keuchlich frieren muss, tut mir sehr leid. Hast du mein Maigerl denn einen warmen Schal? wenn nicht dann lasse dir durch Tante Ju einen besorgen. Und warme Strümpfe und sonstige warme Sachen. Ich will dies nochmal wiederholen, hast du verstanden, mein Maigerl. Du würdest vielleicht später nochmal gesundheitlich dies schwer büssen müssen, wenn du dich zu sehr verkühlst -- So schlecht bin ich noch nicht dran, dass sich mein Maigerl nicht warme Sachen kaufen darf. Verstanden!

Im Hause ist es jetzt so still, dass es, scheint es, sogar Frl. Christ zu viel ist, denn letzthin erklärte sie mir, dass sie sich dies doch anders vorgestellt hat. Ich wohne nur noch im Arbeitszimmer und heize die Diele vorläufig nicht. In meinem kleinen Zimmer ist meist eine Pfundshitze, denn der Ofen heizt gut, und kalt ist es ja auch nicht besonders....

Sein Alltag scheint eher einsam gewesen zu sein in seinem Arbeitszimmer, immerhin war er mal tanzen!

 

Brief vom 6.6.1928 an die Kinder:

... Gestern habe ich nun einen Entscheid getroffen betreff Wirtschafterin. Es war für mich die reinste Tortur, diese Suche nach einer geeigneten. Mit einmal waren es eine solche Anzahl, dass mir wieder die Wahl schwer wurde. Ich hätte gleich inserieren sollen. So habe ich immer das Daheim studiert und so Wochen lang mich die der Frage beschäftigt und je länger man solch unangenehme Sachen hinausschleppt, um so mehr geht einem die Sache auf die Nerven. Es loben sich alle, die sich für den Posten bewerben, was das Zeug hält und darum wird die Wahl so schwer. Wenn jede gleich ihre Laster aufzählen würde, dann tät man sich leicht. Hoffentlich wird die neue auf euch schauen, so dass Ihr wieder zu Euerm regelmäßigen Packeteln kommt.

... Letzthin habe ich an Klein Mesterchen 130 M geschickt. die offenbar Herr Utz für sich zurückbehalten hat. Klein Mesterchen sollte damit einkaufen, nachdem erst ein Betrag von 120 M als nötig bezeichnet wurde. Ich habe nun aber erfahren, dass ich schon lange an Utz hätte vorauszahlen müssen. das heißt jetzt wäre es keine Vorauszahlung mehr. Nun musst Du, mein Maigerl mal vorsichtig bei Utz fragen, ob er das Geld erhalten hat. Und wieviel jetzt noch zu zahlen wäre. Dann schicke ich den Rest des Geldes. Er möge mal eine Rechnung mir schicken....

Im Auto bin ich noch nicht gefahren. Werde heue aus Geldersparnisgründen nur ein Vierteljahr die Steuer bezahlen, wenn ihr hier seid. Ein grosses Opfer ist es aber für mich nicht, wenn ich jetzt noch nicht Auto fahren kann. Habe in den letzten Jahren wenig von meinem Berge gehabt, weil ich jeden Sonntag weggefahren bin. Kunz isst jetzt bei mir zu Mittag und zu Abend, dafür arbeitet er bei mir in seiner freien Zeit. Seine Frau ist im Narrenhaus. Sie ist soweit nicht etwa ganz verrückt, sondern es ist nur eine Schraube locker in ihrem Kopfe.

Die Nüsse sind auch schon wieder geerntet. Sind erfroren. Von den anderen Obstbäumen ist wenig erfroren. Ich glaube, dass wir sehr viele Zwetschgen bekommen. Ihr könnt euch heuer im Herbst ganz von Zwetschgen denieren, die bekanntlich wegen ihres hohen Zuckergehalts sehr nahrhaft sind und sehr stark riechen. Kraut wird es wohl auch geben, also sieht es soweit gut her. Das Badbassin habe ich halbvoll. Habe schon unter kolossalen Prusten etliche Fahrer darin gemacht. Das Wasser musste ich schon mal auslassen, weil die Suppe zu dick geworden war. Lasst Tante Ju den Brief auch lesen ...

 

Oskar liebt wandern und Ausflüge. Das Auto hat das Kennzeichen “IIE-176” und der Fahrer heißt “Kunz”. Herr Kunz sitzt immer am Steuer, wahrscheinlich durfte niemand anders ans Steuer. Kunz war sicher für die Wartung und Instandhaltung zuständig. Vielleicht hat er auch bei dem Händler des Nash (leider gibt es keine Info über den Händler) eine Einweisung bekommen. Der Fahrer könnte entweder Herr Kunz geheißen, fast wahrscheinlich ist aber die Abkürzung Kunz für Konrad. Der Bediensteten waren gewöhnlich mit Vornamen angesprochen.

Im Herbst wurde das Auto außer Dienst gestellt. Wahrscheinlich ist es im Winter in der Kälte zu schlecht angesprungen.

Mein Vater erzählte sie hätten anfangs Karbidlampen als Beleuchtung gehabt. Als das Wasser ausging (Karbid braucht Wasser) mussten sie in die Lampen hineinpinkeln. Vielleicht ist das auch ein Fabel. Das Auto hatte Elektrolampen, es könnte vielleicht auch die Lampe der Kutsche gewesen sein.

Das sind Reisen, die in den Fotoalben von Werner auftauchen - sind also bestimmt nicht alle, da Oskar selbst keine Fotoalbum geführt hat!

1922 Riessersee

1924-1926 Rotenburg a,T.

Mespelbronn Spessart

Wartburg

Garmisch

Rhön, Spessart (Sommer)

1926-1928

Meiner Dom

Ruine Falkenstein

Ruine Obermurach

Sächsische Schweiz (April)

Berlin

Auerbach, Falkenberg, Meissen (August)

Stolzenfels am Rhein (September)

1926 (Oskar,Elisabeth,Kunz,Werner)
1926 (Oskar,Elisabeth,Kunz,Werner)
1926
1926
1926
1926
1929
1929
1929
1929

1929 machen sie eine richtig große Reise: Ulm, Lindau, Biberach, Arlberg, Tauernpass, Kesthely, Budapest (14.8.-2.9.). Mit dem Auto nach Ungarn.

 

Unterwegs im Salzach-Tal hatten sie noch einen Unfall. Nach 2 Tagen gibt es wieder Fotos vom Auto, also wurde es recht schnell wieder repariert. Das ging wohl damals ganz gut, da es viele verschiedene Werkstätten gab, die aber nicht bestimmte Autotypen spezialisiert waren.

 

Danach finde ich keine Einträge mehr, da jetzt Werner selber (ohne Vater) gereist ist und damit in seinem Fotoalbum nur noch seine eigenen Touren auftauchen. Das letzte Foto des Autos ist von 1929.

Das Nummernschild IIE-176 heisst: II=Bayern E=Bezirk Regensburg Oberpfalz 176  (176 sieht sehr nach einer Zählnummer aus).

1929 Unfall
1929 Unfall

Autozusammenstoß mit einem Packard am 19.8.1929

90cm wurde unser Vorderwagen durch den falsch fahrenden anderen Wagen nach außen gerissen. Vorderrad, Schutzblech, Schweinwerfer weggerissen und demoliert. Verschiedenen andere wurde verbogen und gestaucht.

Nash 681
Nash 681

Exkurs zum Auto: Die intensive Diskussion im Oldtimer Forum erbrachte im Ergebnis, dass es sich um einen NASH Open Tourer der 680-Serie handelt. Der NASH war in den 20ziger Jahren in Europa gut verbreitet, insbesondere in der Schweiz. Info zum Modell 681 (1918):

Hubraum : 249 cui ( 4080 ccm )

Zylinder : 6

Leistung : 55 PS bei 2400 U/min

Radstand : 121 inch ( 307 cm )

Gewicht : 2930 US Pounds ( 1318 kg )

Spurweite : 56 inch

Reifen : 34 x 4

3 Vorwärts, ein Rückwärtsgang. Bremsen an den hinteren Rädern. Einscheibentrockenkupplung.

Eingeführt 1. Sept. 1917 .

Gesamtproduktion von dem 1918 Modell : 10.283 Stück. Das entspricht 1,1 % aller produzierten PKWs in USA.

1918 hat er in der USA 1295 US$ gekostet, zum Vergleich Ford T 400 US$ und ein Cadilac 2085 US$. Also gute Mittelklasse. In Deutschland wird der Wagen allerdings viel teurer gewesen sein. Verbraucht wurden etwa 15 bis 20l/100km mit einer maximalen Geschwindigkeit von 80 km/h. Als Reisegeschwindigkeit sind 50 km/h realistisch wegen dem schlechten Zustand der Straßen. An Oskars Auto hingen 3 Ersatzreifen, das sagt schon etwas. Tankstellen (www.baufachinformation.de) kamen erst in den 20ziger-Jahren auf. Bis dahin (besonders bei Überlandstrecken!) war die Apotheke die Anlaufstelle für Automobilisten.

Charles W. Nash war ein Präsident von General Motors und kaufte 1916 die Firma Thomas B Jefferson, die bis dahin den “Rambler” produzierte. Der “Rambler” war ein kräftiges, robustes Auto, das 1908 den bisherigen Rekord für die Strecke Los Angeles - San Diege (530km) in 10h 20min mit 45min Verbesserung einstellte. Das 680-Modell war ein großer Entwurf mit den im Kopf sitzenden hängenden Ventilen. Zwar nichts neues, aber trotzdem etwas Seltenes. Nach dem Krieg ist NASH nicht mehr auf die Beine gekommen und untergegangen.

 


Oskar hatte parallel zum Auto auch ein Motorrad bzw. leichtes Motorrad. So schreibt er 1925: “ Ich bin mit dem Motorrad im offenen Anzug vom Berg heraufgefahren, und die Eisluft ist mir durch die Kleider gefahren. Es wird nun auch Zeit, dass man das Motorrad einsalzen tut..."

Also wurde das Motorrad ebenfalls außer Dienst gestellt. Wahrscheinlich mußte er im Winter (oder bei Regen) zu Fuß in die Fabrik gehen - sind nur 20 min. Ein Motorradfoto von 1926 gibt es. Sohn Werner schreibt von einem gemeinsamen Ausflug “Bis auf das "Schnellfahren", d.s. 30 km/h, ist er mit meiner Fahrerei ja zufrieden.” In einem Brief wird eine Ardie erwähnt. Es könnte eine Ardie minimax sein, wegen dem runden Tank (Foto von www.ardie.de).

Das Foto ist von 1926.

1926 "Vater auf Motorrad"
1926 "Vater auf Motorrad"

kleiner Exkurs zu Ardie mit wikipedia: Ardie ist ein deutscher Motorradhersteller aus Nürnberg, der rund 40 Jahre lang, nämlich zwischen 1919 bis 1958, produzierte. Gegründet von Arno Dietrich, beschränkte sich die Firma zunächst auf die Herstellung einer Einzylinder-Zweitaktmaschine mit einem Hubraum von 288 cm³ und 304 cm³, die wegen ihrer roten Lackierung und der Form des Tanks im Volk als Ardie Minimax bezeichnet wurde. Ab 1925 wurde das Angebot um eine ganze Reihe von Modellen erweitert, die mit 250, 350, 500, 750 und 1000 cm³ JAP Einbaumotoren ausgerüstet waren.

Brief vom 12.12.1928 an Werner:

Mein lieber Junge,

werde heute nachmittag nach München fahren, wieder wegen der leidigen Sache Sehmer wegen der es nun doch zu einem fetten Prozess kommen wird. --- Ich schreibe betreff deiner Weihnachtswünsche. Vielleicht ist es das beste, du gibst sie mir bekannt und zugleich die ungefähren Kosten. Ich schicke dir dann das Geld und du kannst dir die Sachen selbst besorgen. Irgendwelche Überraschungsgeschenke gibt es für dich keine mehr. Ich kann mich mit solchen Sachen nicht abgeben. Nächsten Freitag werde ich nach Wielenbach kommen, werde aber nicht über Schondorf nach München zurückfahren, weil es zuviel Umweg ist. Eventuell wenn es doch angängig ist würde ich dir schreiben.

Eben habe ich im Kursbuch nachgesehen. Ich kann doch über Schondorf fahren, komme dann allerdings erst abends um einhalb neun Uhr nach München und kann dann dort nichts mehr anfangen. Vielleicht ist es besser Tante Ju kommt nach München am Samstag und bringt vielleicht Klein M. mit. Besprich das mal mit Tante Ju, sie soll mir nach dem Kaiserhof telephonieren, was das Beste ist. Euch sehe ich ja bald wieder, nur Tante Ju möchte ich auf jeden Fall jetzt mal wieder sprechen.

Sei herzlich gegrüßt von deinem dich liebenden Vater

 

Von 1928 gibt es eine zweite Seite von einem Brief von Oskar an Werner. 1928 hat sich Werner die Hand gebrochen, das könnte der Grund der verbundenen Hand sein. Oskar schreibt immer recht unterhaltsam und humorig:

Zugetragen hat sich Verschiedenes, was vielleicht euch interessieren könnte, aber man queik (das muss irgendein internes Wortspiel sein, da es öfters genau gleich geschrieben vorkommt) nicht mehr alles. Die Grundsteinlegung der neuen katholischen Kirche hinter dem Friedhof Dreifaltigkeit hat unter grosser Aufregung stattgefunden. Am nächsten Sonntag soll hier auf dem Marktplatz das Heimatspiel Amberger Treue aufgeführt werden.

Unter unglaublichen Zudrang wurde am vorigen Sonntag in Raigering das Pandurenfest aufgeführt. Die Raigeringer haben da ganz natürlich spielen können, sie haben sich nur zu geben brauchen wie sie sind.

Vorige Woche war wieder Offiziersschiessen, bei welchem ich auch mitmachte. Ich habe wieder denselben Schuss gemacht wie vor einem Jahr, nämlich zwei Millimeter weniger gut, als der beste Schuss, habe allerdings in gewisser Hinsicht am besten auf die bewegte Scheibe geschossen, insofern als ich hintereinander zweimal wie man sich ausdrückt ins Schwarze mit dem Militärgewehr geschossen, was nicht leicht vorkommt. Offengestanden war schon Dusel auch dabei und ich bin gewiss dass man ganz anders schiessen würde, wenn man sich wirklich mal produzieren wollte. Die meisten Offiziere haben miserabel geschossen, obwohl sie seit drei Wochen täglich geschossen haben und ich seit einem Jahr keinen Kuk mehr gemacht habe....

Auf dem Berg lasse ich jetzt einen Platz anlegen und ich hoffe dass ich selbst noch irgend einen Sport ausführe, denn ich werde sonst mächtig steif. Wenn ich nicht irre, habe ich dies übrigens schon geschrieben. (das könnte der sogenannte Tennisplatz hinterm Haus, man erkennt nur eine ebene Fläche)

Am Fronleichnam war ich bei Wiesau droben und habe König-Ottobad besucht. Habe dort zu Mittag gegessen. Man wurde auch vom Publikum, das aus vier Menschen bestand, freudig bewillkommt. Aber abends habe ich mich wieder nach Hause destilliert, denn ein Puiregen setzte ein, und wir sind mit dem Wette gefahren und ihm noch glücklich entronnen. Sobald mal ein Regen einsetzt, ist das Autofahren alles andere als ein Kpak...

Nebenbei bemerkt finde ich nicht, dass der letzte Brief von dir Werner, den du mit der verbundenen Hand geschrieben hast, schlechter geschrieben ist, als die anderen. im Gegenteil. Vielleicht wäre es sogar in Zukunft gut, wenn du vor dem Schreiben erst die Hand verbinden würdest und dich dann ins Bette legen und so dann den Brief schreiben....

Nun aber muß ich Schluss machen. Denn ich muss nach Hause, man hat keinen Stecken Holz mehr und ich muss mit der Maschine sägen.(Oskar musste also selber Holz sägen, wohl zum Heizen)

Seid herzlich gegrüßt von Eurem Euch liebenden Vater

(inliegend 30M.)