noch zu suchende Quellen:
- Zeitung Verleihung Kommerzienrat 1895
- Zeitung Verleihung Orden 1901
- Hochzeit Elise Bollmann
- Verhältnis zur ev. Kirche (Spenden? Aktivitäten?)
- Taufen der Kinder (und damit genaue Geburtstermine)
- Zeitungsbericht zum Tod von Elise Bollmann
- Nachruf Handelskammer mit Lebenslauf
- Schuldschein Bollmann
Georg wurde am 28.4.1843 als sechstes Kind geboren - die Mutter war zu der Zeit 32 Jahre und der Vater 35 Jahre alt. Der Geburtsort ist sehr wahrscheinlich Wunsiedel, da die Auswanderung nach Amberg erst später erfolgte. Sein Vater stirbt 1855 mit 47 Jahren als er 12 Jahre alt ist, seine Mutter 1877 ist bei seinem Tod 44 Jahre alt. Die Mutter hat das Geschäft des Vaters weiter geführt, wahrscheinlich war sie eine gute Geschäftsfrau mit starken Willen. In einer Industrieausstellung von 1858 im Sechsämterland (heutiger Landkreis Wunsiedel) heißt es über ihren Betrieb “Absatz in ganz Bayern, besonders Fürth. Nürnberg, Regensburg, Straubing”. Sie hatte sicher auch Einfluß auf Ihre Söhne. Der spätere Firmenname der Brüder “Joh. Baumanns Witwe” ist ein Indiz. Die Mutter ist 66 Jahre alt geworden, also ein eher hohes Alter.
Es gibt ein - leider recht unscharfes - Foto mit der Beschriftung: Georg u. sein Geburtshaus. Ein recht einfaches Haus, der Herkunft von Georg war bescheiden. Scheinbar hat er seinen Geburtsort kurz vor seinem Tod nochmal besucht. Sein Geburtsort ist nicht sicher belegt - wahrscheinlich Wunsiedel.
Weiden den 28 März 1865
Lieber Bruder und Schwägerin !
In deinem Brief vom 17.d.M. erfahre ich daß du eine andere Logie
gemiethet hast was mir auch Butzinger sagte, wenn deine Raum? auf einen schöneren Platz ist wünsche ich dir, das dein Geschäft gut gehen soll. Ich dachte in Amberg
müßte es Arbeit genug geben und Butzinger sagte mir auch daß du Wannen? fortschickt.
Ich habe immer sehr viele Arbeit jedoch sind die Einnahmen sehr schlecht. ich habe immer so viel zu zahlen, daß du dir keinen Begriff machst. denn daß Eisen und die
Eisenwaren haben mir schon viel zu schaffen gemacht. Das Geschäft ging immer, leider von den hiesigen Kunden muß alles 2 oder 3 Jahre in Buch stehen
Auch bin Willens mir bei ersten Bauzeit? einen Laden zu bauen.
Georg ist bei mir gewesen wie er von Bayreuth zurückgekommen und wollte auch zu dir allein er konnte sich von den Mädeln nicht trennen bis Zeit wurde daß er nach
Hause mußte 6 bis 10 solche Fräuleins hat er immer um sich gehabt und die Luder sind ganz vernarrt in Ihn bis um 11 bis 12 Uhr sind sie mit herum gezogen.
In der Hoffnung daß ihr gesund seid was bei uns der Fall ist
grüße ich bestens, dein lieber
Erhard
Am unteren Briefrand: (schwer zu lesen..)
Wenn ihr Zeit habt besucht uns einmal wir können
bisher nichts verxxechen
xx xx lege ich ein paar Jahre
bei? deines? kleines Gut
Das einzige Dokument aus der jungen Zeit ist ein Brief von 1865 (22 Jahre). Der Absender ist Erhard (der sich in Weiden niedergelassen hat), an Christian oder Johann. Wahrscheinlicher ist Christian - er war gerade 28 Jahre alt und könnte daher schon verheiratet sein, während Johann erst 20 Jahre alt war. Der Brief klingt danach, dass er keine schulische Ausbildung bekommen hat. Ich stelle mit vor, er ist bei seiner Mutter zum Gesellen ausgebildet worden und wurde danach, um Erfahrung zu sammeln, herumgeschickt.
Aus Tagebuch von Erny (seine 2. Frau): Als ich meinen lieben guten Georg das 1.Mal sah, das war im Jahre 4. März 1902, flog ihm mein Herz sofort entgegen, wie es ja jedem Menschen ging,
der ihn kennen lernte. Er besuchte uns in Regensburg u. wie er mir denn sagte,
interessierte er sich hauptsächlich für Mama, die er in seiner Jugend, als er noch in Wunsiedel lebte, gut gekannt hatte.
Aus seinen Jugendjahren erzählte er mir öfters u. zwar, daß er seinen Vater wenig gekannt habe, derselbe ist mit
47 Jahren an einem Lungenleiden gestorben; dann war seine Mutter, die er so hoch verehrte, mit 7 Kindern, das 8te
war noch nicht geboren allein zurückgeblieben mit dem Geschäft - das war eine Spenglerei, die der Vater bis zum Tode
mit großenm Fleiß u. Eifer betrieben hatte. ...
Wie oft erzählte er mir, daß er schon als Kind sehr fleißig sein mußte - kam er von der Schule heim, so arbeitete er schon mit in der Werkstatt,
machte Nietnägel u. ein Lob der Mutter spornte besonders an - waren die Kinder unfolgsam u. wild u. der Mutter kamen die Tränen, so schlichen sie aber alle an ihre Arbeit um die gute Mutter
zu trösten u. wanden doppelten Fleiß an, damit die Mutter wieder zufrieden mit ihnen war. Eine Menge solch kleiner Späßchen aus seiner Jugend erzählte er mir oft u. freute sich zu sehen, daß ich
ihn so gut verstand
u so viel Interesse dafür hatte. Ich erinnere mich noch, als er davon sprach, wie unglücklich seine Mutter zuerst war, als er
so gern nach Amberg ziehen wollte u nur widerstrebend willigte sie dann ein u schließlich war sie so gern da u erlebte noch ihr Glück, daß die Fabrik wuchs u. gedieh. und die Firma
erhielt den Tital Johann Baumanns Wtwe. Auch erzählte er mir öfters, daß er als junger Bub mit der Mutter Mitte März u mit einem Wägelchen zum nächsten Blechwalzwerk gehen mußte,
das durch einen dichten Wald u nicht recht behaglich war, hingekommen ist. Es wurde oft seiner Mutter angeboten, sie zu begleiten, doch sie hatte den Mut auch ohne Begleitung
hinzukommen, denn damals hörte man von einem Räuber, der die Leute überfallen hatte. Und so zog mein guter Mann mit Mutter u. 30 Arbeitern doch nach Amberg.
1864 hatte der Bruder Johann bereits in Amberg ein Geschäft gegründet. 18.11.1865 gab die Mutter Katharina das Geschäft in Wunsiedel auf und zog mit den zwei verbliebenen Söhnen Georg (22 Jahre alt) und Peter nach Amberg. Sie gründete in der ehemaligen Gaststätte “Zum Schwan” in der Oberen Nabburgergasse (ungefähr an der Stelle des heutigen China-Restaurants) eine eigene Spenglerei. Beide Betriebe produzierten jetzt Bratröhren, Blechöfen, Ofenrohre und Küchengeschirre. Schließlich meldet sie das Geschäft an, das heißt ihre beiden Söhne arbeiteten unter ihrer Leitung.
Georg heiratet zuerst Elise Bollmann (23.12.1848 - 24.3.1900) aus Sulzbach-Rosenberg.
Bollmann’s sollen aus Sulzbach-Rosenberg kommen. Es gibt einen Sekretär, den sie mit in die Ehe gebracht haben soll. Auf dem Schreibtisch ist auch ein Wappen. Die Art des Möbelstücks deutet auf vermögende Verhältnisse hin.
Mit Elise hat Georg 4 Kinder: Julie (Tante Ju genannt) *1874, Hans *1875, Marie *1877 und als jüngsten Oskar *1880.
Sie wohnen zumindest anfangs mit den anderen Baumann Familien in einem Teil des Firmengebäudes in der Jahnstrasse. Dies geht auch aus einen Plan 1877 hervor, dort wird ein Haus als “Wohngebäude mit Garten” bezeichnet.
In einem Bauantrag von Babette Fentsch von 1896 klagt sie über die beengten Verhältnisse in dem Firmenhaus.
1891 bauen sie die Sommervilla an der heutigen Bergauffahrt. Wann Georg hier eingezogen ist, ist nicht ganz klar. Der Bauantrag wurde für die Gebrüder gestellt (also nicht für Georg
allein!).
Das Bild kommt von 1913 und ist von der heutigen Raigeringer Siedlung aus fotografiert. Der Weg ist die heutige Raigeringer Straße. Die Kutsche ist das Gefährt von Georg, damit ist er zur Firma
gefahren worden.
1895 bekommt Georg den Titel königlicher Kommerzienrat und 1901 den Verdienstorden vom heiligen Michael IV.Klasse..
Mayrhofer: Eine weitere Auszeichnung und Anerkennung für ihre großen Verdienste erfuhr die Firma durch die Verleihung des Titels “kgl. Kommerzienrat”. Die Urkunde hierüber lautete anfänglich
auf den Namen Johann Baumann. Herr Johann sagte aber, es müsse dies doch ein Irrtum sein und die Auszeichnung werde seinem älteren Bruder Georg gehören. Er berichtete in diesem Sinn kurzerhand an
die betreffende amtliche Stelle, worauf der Irrtum erkannt und sogleich berichtigt wurde.
1896 bauen sie die Wintervilla - das ist die heutige Villa zwischen Mariahilfbergweg und Kaiser-Ludwig-Ring. Die Wintervilla wurde so genannt, da sie nur im Winter bezogen wurde - scheinbar war die Sommervilla oben am Berg im Winter sehr ungemütlich. Die Fotos sind fast alle von der Sommervilla - anscheinend war man dort lieber.
Der Zeitpunkt und Anlaß für das Foto ist unklar, Georg ist aber offensichtlich älter - vielleicht 1895-1900. Es ist das einzige Foto, auf dem Elise zu sehen ist. Ihr Kleid ist im Vergleich zu den anderen Frauen sehr einfach. Die Namenszuordnung kommt von meinem Vater Werner.
Amberg, den 21.Nov.1898
Lieber Oskar !
den Stiefel schickte ich heute zum Bruckner, der meint, daß der Stiefel, weil er feucht war, von der Magd, während des Putzens mit dem heißen Herd in Berührung
gebracht wurde. Du sollst den anderen schicken, damit einer wie der andere gemacht wird. Deine Stiefel werden morgen fertig. Wir werden sie dann gleich fortschicken. - Laß dir fei im Lernen
nichts zu schulden kommen, denn es ginge doppelt an mir aus, der ich immer deine Partei ergreife. Neues gibt es nur Verte? in der Chronic scandaleuse u. das interessiert dich nicht. Heute geht es
mit Zaun an. - Roland hatte sich an einem Drahtzaun verletzt. Jetzt geht die Heilung schnell vorwärts. Wenn ich im Wintergarten sitze, darf er auch dort sein, was ihm ungeheuer angenehm ist. u.
er bezeugt seine Dankbarkeit durch unzählige Pfotendrücke Jetzt weiß ich nichts mehr. Mit herzlichem Gruß
Deine Mutter
Der Ton des Briefs ist liebevoll - es geht hauptsächlich um die neuen Schuhe und um den verletzten Hund “Roland”, den sie mit in den Wintergarten hereinnimmt - aber auch kurz angebunden - wie von
einer Frau, die nicht viel Zeit hat.
Rätselhaft ist mir die “Chronic scandaleuse”. Einerseits könnten allgemeine Tratschgeschichten gemeint sein - andererseits könnte es auch eine Anspielung auf interne Verhältnisse sein.
Der Absatz “ergreife immer Partei für dich” deutet auf eine Auseinandersetzung in der Familie um Oskar hin. Oskar wurde in das “königl. Realgymnasium” nach Nürnberg geschickt. Er war dort
mindestens von 1897-1900 (Klasse 7 bis 9). Vielleicht hat sie auf eine bessere Schulausbildung in Nürnberg bestanden, die Georg für nicht notwendig hielt.
Sie erwähnt einen Wintergarten. Das ist etwas merkwürdig, da es in der Sommervilla (Baujahr 1891) eigentlich keinen Wintergarten gibt.... Elise Bollmann stirbt am 24.3.1900 im Alter von 52
Jahren, Georg ist zu dem Zeitpunkt 57 Jahre alt. Es gibt leider keine weiteren Unterlagen zu Elise.
Georg hat eine unglaubliche Erfolgsgeschichte hinter sich: angefangen mit 30 Hilfskräften 1872, ist er jetzt Miteigentürmer und Seniorchef des größten Industriebetriebes in Nordbayern mit über
2000 Beschäftigten. Die Firma hat (zumindest die meiste Zeit) gut verdient, wobei ein Teil des Ertrages zur Finanzierung des Betriebskapitals und der Investitionen aufgebracht werden
musste.
Die gesellschaftliche Stellung hat sich vollkommen gewandelt vom Handwerker zum bedeutenden Industriellen. Auch die Vermögenssituation hat sich vollkommen gewandelt. Ab den 90’er Jahren
wurden die Villen der Familien gebaut. Wahrscheinlich hatten sich zu dem Zeitpunkt die Finanzen so erholt, dass jetzt genügend für den privaten Konsum blieb.
Nach dem Tod von Elise +24.3.1900 sucht Georg wieder eine neue Frau. Anscheinend gab es zuächst eine Eheabsicht mit der Majorstochter Frl. Louise Schmitt, die jedoch verstarb (Quelle
Justizakten).
Erny Rubner beschreibt ihr Kennenlernen: "Als ich meinen lieben guten Georg das 1.x sah, das war im Jahre 4. März 1902, flog ihm mein Herz sofort entgegen, wie es ja jedem Menschen ging,
der ihn kennen lernte. Er besuchte uns in Regensburg u. wie er mir denn sagte, interessierte er sich hauptsächlich für Mama, die er in seiner Jugend, als er noch in Wunsiedel lebte, gut gekannt
hatte." Am 22.4.1902 (also 1 Monat nach dem Kennenlernen!) heiraten sie. Erny Rubner kommt aus Regensburg. Er ist 59, sie ist 34 Jahre alt. 1902 (beschriftet von Erny) gibt es das
erste Foto mit Erny Rubner (*1868 bis +1957). Sämtliche folgenden Fotos sind aus einem Fotoalbum von Erny Rubner im wesentlichen für die Zeit von 1904 - 1913.
Erny hat ein kleines Büchlein über 18 Seiten mit der Überschrift "Dies Buch soll der Erinnerung aus dem Leben meines lieben Mannes gewidmet sein u. zwar von unserem Uns-Kennenlernen bis zum Tode von 1902-1913". Dieses kleine Büchlein ist die persönlichste Erinnerung an Georg.
Erny schreibt in ihrem Tagebuch: 22.4.1902 fand meine Trauung statt u zwar in Amberg in der Wintervilla, Nähe der Fabrik, Ecke dem Ring u. Fabrikstrasse. Mein Mann wünschte es so; den er war Witwer, hatte 4 erwachsene Kinder u schon nach seiner 1. Frau, eine Braut verloren. Ich hätte ja meine Hochzeit gerne in Regensburg gehabt, da ich dort zu hause war, aber auch die Eltern bestimmten mich, dem Wunsche meines Bräutigams nachzugeben u so fand die Trauung in Amberg statt u Herr Stadtpfarrer Hacker hielt sie im 1.Stock der Wintervilla, wo ein Zimmer zum Empfang der Gäste bereit war u 1 Zimmer mit Altar u ganz ausgeschmückt war, zur Trauung. Meine Eltern u Geschwister kamen u Georgs Verwandte u Freunde ca 42 Personen an der Zahl - Am Abends kehrten die Eltern u Geschwister nach Regensburg zurück. Und ich arbeitete noch mit Babette, der Köchin, um etwas Ordnung in die Wohnung zu bekommen. Sohn Oskar war gekommen, Sohn Hans war Offizier/Rittmeister/ in Saargemünd u war unabkömmlich. Die Töchter Julie Helwig u Marie Barth waren verheiratet u nicht da. Ich mußte mich erst an all das neue gewöhnen u hatte es im Anfang nicht leicht bis ich mich nach meinen Sinn eingerichtet hatte, doch mit m. lieben Georg war ich sehr glücklich u so ging es besser als ich dachte, denn Georg war immer gut u freundlich zu mir u mir machte es auch Freude die beiden Häuser behaglich u schön einzurichten, was mir nach längerer Zeit auch gelang. Ich behielt die Köchin Babette, den Kutscher Ludwig u den Gärtner Gustl. kam auch gut mit ihnen aus; Georg hatte die Leute gewöhnt, sie waren tüchtig u treu, weil es ihnen auch gut bei uns ging.
Aus der Traurede des Pfarrer Hacker: Denn das ist Gottes Wille daß ihr treu zusammenhaltet in guten und in bösen Tagen!
Schlicht u einfach sagt die h. Schrift, was ein Mann an seinem Weibe finden u besitzen soll: einen Gehilfen seines Lebens.
Dazu braucht sie ein offenes Auge für seine Wünsche, eine hilfsbereite Hand für seine Bedürfnisse, ein teilnehmendes Herz für
seine Sorgen, einen verständnisvollen Sinn für sein Wirken.
Von den Pflichten des Mannes aber spricht S. Paulus, ihr Männer liebet eure Weiber u gebet ihnen als von schwächeren Denkgang seine Ehre!
Der folgende Brief schrieb 4 Tage nach der Hochzeit Erny an ihre Eltern.
Amberg, d 26.4.1902
Meine Lieben, habt recht innigen Dank für die Liebe, die aus Papas lb. Zeilen spricht.
Auch wir sind im Geiste viel bei Euch u. freuen uns sehr, Euch in Kürze wieder zu sehen. Das so sehr gefürchtete
Heimweh hat sich bis jetzt noch nicht gerührt u. ich hoffe daß dies ein überwundener Punkt ist. An der Seite eines solch liebevollen, edlen Mannes zu sein, ist wirklich das Schönste u herrlichste auf der Welt u. ich kann nur aus dem
innersten
meines Herzens sagen "Mir ist das Los auf's Lieblichste gefallen, dem Herrn sei Dank. An Zeitvertreib fehlte
es mir durchaus nicht, doch kam ich nie zu den Arbeiten, die ich
gerne erledigen möchte, da mein lieber Mann gerne überall von mir begleitet sein möchte. Die beiden Kosser send ich
zurück, sobald sie ausgeräumt sind u. den Schlüssel zu Eurem Bersekorb fand ich nicht. Die letzten Tage waren beinahe
ausgefüllt mit den Danksagungen u. gestern konnte ich mich infolge einer
kleinen Erkältung, die ich mir wahrscheinlich auf dem Turm zugezogen, nicht viel
rühren u nichts tun.So verschwindet die Zeit, ehe ich mich besinne eine Stunde nach der anderen in steter Freude u Vergnügen. Morgen hat sich Herr Regierungsrat Berg angesagt, den wir
zu Tisch haben werden; schon der erste Gast. Auf Wiedersehen freut sich
Eure glückliche Erny
Wir kommen wahrscheinlich in Lauf des Vormittags das 1.Mai, wir schreiben noch. Auch ich
bin glücklich mit meiner lieben guten Erny und danke dem lieben Gott und euch lieben Schwiegereltern, daß Ihr mir so ein liebes Frauchen geben konntet. Am Donnerstag auf Wiedersehen. Seid bis dahin alle Ihr Lieben herzlich gegrüßt von Eueren Schwiegersohn und Schwager Georg
Der Duktus des Briefs läßt auf eine starke Zuneigung der beiden schließen.
Wie wohl die Gesellschaft darauf reagiert hat ? Der Tod war viel alltäglicher und es wird öfters passiert sein, dass ein Ehepartner verstorben ist und wieder geheiratet hat. Andererseits hat er eine 25 Jahre jüngere Frau geheiratet, ich weiß nicht wie das damals akzeptiert war. Vielleicht hat man damals geunkt, das sie es auf das Vermögen abgesehen hat - tatsächlich hat der Gesellschaftsvertrag von 1891 diesen Fall geregelt: erbberechtigt sind nur die Kinder aus erster Ehe.
Die Sommervilla wird mit viel weiteren Gebäuden erweitert.
Das Foto von 1903 zeigt den Bereich um Turm und Pavillon.
Weihnachten 1906 wird zusammen mit Sohn Oskar gefeiert. Die anderen Kinder sind offensichtlich nicht anwesend. Oskar ist 26 und ist mit dem Chemie Studium in Berlin weit fortgeschritten.
1906 bis 1908 gibt es eine Erbschaftsauseinandersetzung zwischen den Töchtern und Georg [Quelle: Staatsarchiv, Landgericht Amberg , Zivilprozeßakten, A30/1907]. Es gab einen Ehevertrag zwischen Elise und Georg.
Und im Ehe- und Erbvertrag vom 7.2.1888 des B. und seiner Frau Elise: „Stirbt die Frau vor dem Mann, so hat dieser der aus der Ehe mit seiner nunmehrigen
Ehefrau vorhandenen Nachkommenschaft das gesamte von seiner Ehefrau in die Ehe gebrachte Vermögen als Muttergut auszusetzen.“ Am 24.3.1900 starb Elise B. Ihr Nachlaß bestand aus barem Vermögen
teils aus einem Anteil an der Villa Baumannsruh in Amberg, der „oberen“ Villa.“ (Schriftsatz 3.10.1907)
Die Töchter wollten das Erbe von Georg vorzeitig antreten oder Georg wollte die Töchter vorab abfinden, jedenfalls wurde im Januar 1906 ein Vergleich beim OLG Nürnberg geschlossen, den Georg
schon auf der Rückfahrt bereute und sofort versuchte rückgängig zu machen. Der Hintergrund des Vergleichs ist nicht Teil der Akten. In den Akten geht es nur um die Klage von Georg ob der
Vergleich rechtsgültig ist.
Im Kern verlangen die Töchter ihren Erbschaftsanteil von Georg und den Mutteranteil nach dem Tod von Else.
Im Urteil vom 10.7.1907 heisst es: B. hat nach dem Ableben seiner ersten Frau am 28.3.1900 am 15.11.1900 mit den geannten Töchtern einen Erbvertrag geschlossen,
wonach sein Nachlaß im Falle seines Ablebens zu gleichen Teilen an seine Kinder fallen solle. Am 22.4.1902 heiratete er Ernestine Rubner, Gymnasialprofessorstochter aus Regensburg.. Am 12.8.1902
foch B. den geschlossenen Erbvertrag an mit der Begründung, dass die Voraussetzung zum Abschluß des Vertrages entfallen sei, nämlich die Annahme der Verehelichung mit der inzwischen verstorbenen
Majorstochter Frl. Louise Schmitt und das nunmehr mit der Verehelichung mit Ernestine Rubner eine neue Pflichtteilsberechtigte vorhanden sei.
Das OLG hat einen Sühnetermin angeordnet. Ergebnis war der Vergleich vom 17.1.1906.
Festgestellt wird, dass sich die Forderung der Töchter nur auf das väterliche Erbe bezog, B. jedoch beim Vergleich davon ausging das damit alle Forderungen
beglichen wären. Wiederholt werden die vorstehenden Zeugenaussagen, festgestellt wird, dass die Parteien der irrtümlichen Meinung waren, die Willenserklärungen würden sich
decken.
„Der mütterliche Erbteil ist zudem in Wirklichkeit keine Bagatelle. Unter diesen fällt auch der wirkliche oder vermeintliche Miteigentumsanteil der Beklagten an
der Villa Baumannsruh. Diese Villa mit ihren mehreren Hektar umfassenden im besten Stande befindlichen Park- und Gartenanlagen ist gerichtsnotorisch ein wertvoller Herrschaftssitz am östlichen
Abhange des Mariahilfbergs bei Amberg. Eine Bagatelle ist ein derartiger Besitz nicht mehr.“ Wegen fehlender Willensübereinstimmung ist der Vergleich vom 17.1.1906
rechtsunwirksam.
Diese Auseinandersetzung wird intensiv über Rechtsanwälte, anscheinend verhandeln Töchter und Schwiegersöhne nicht direkt mit Georg. So heißt es in einem
Schriftsatz vom 7.2.1906: Jedoch würde ich heute noch gewillt sein, die Sache auf friedlichem Weg zur beiderseitigen Zufriedenheit zu lösen, wenn meine
Töchter mit ihren Männern selbst mit mir verhandeln wollten.
Die vergiftete Atmosphäre gibt ein Strafantrag von Johann Friedrich Barth und August Barth
(Mann von Tochter Marie) gegen Georg wegen Beleidigung wider. Näheres geht aus dem Protokoll nicht hervor.
In einem anderen Schriftsatz schreibt Georg: Ich habe seinerzeit meinen Töchtern gegenüber sicher keinen Anlaß gegeben, dass sie klagbar gegen mich vorgingen. Hiermit hebe ich den sogenannten
Vergleich auf. Die Klagepartei hatte beim sog. Vergleich den Bogen zu hoch gespannt darum mußte es platzen; denn sie hatte von mir eine Summe gefordert, die ich nicht besitze, die ich
mir erst verdienen müßte. Bis zu meinem 70sten Jahre müßte ich arbeiten, um habgierige Töchter und Schwiegersöhne zu befriedigen. Aber ich habe noch für mehr Angehörige zu sorgen und
kann schon aus diesem Grunde diesen sog. Vergleich nicht anerkennen. Meinen übrigen Angehörigen gegenüber könnte ich auch diesen sog. Vergleich nicht verantworten, weil er unter
Übergehung meiner Frau und meiner beiden Söhne errichtet wurde, wodurch er auch keine Rechtsgültigkeit haben kann und hiemit aufgehoben sein soll.“
Am Ende wird der Vergleich vom 17.1.1906 doch von Georg angenommen.
Es kam vor dem OLG Nürnberg folgender Vergleich zustande:
I. Der am 15.11.1900 bei Notar Wittmann zwischen den Streitteilen beurkundete Vertrag wird außer Wirksamkeit gesetzt, mit allen seinen Folgen.
II. B. verpflichtet sich, an seine Töchter (s.o.) je 375.000 M zu zahlen, je 100.000 binnen einer Woche, den Rest halbjährlich mit 20.000 M.
III. B. verpflichtet sich die schuldigen Beträge mit 3 ½ % zu verzinsen.
IV. Bisher vom Vater erhaltene Gelder verbleiben im Eigentum der Töchter und sind nicht in die unter II. angeführte Vergleichssumme
einzubeziehen.
V. Stirbt B. vor vollständiger Tilgung ist der komplette Restbetrag binnen Monatsfrist zu zahlen.
In den Fotoalben von Erny gibt es keine Fotos von Hans (außer dem Hochzeitsfoto), Marie und Julie. Vermutlich war der Kontakt nach der Erbschaftsauseinandersetzung abgerissen. Vielleicht waren die Kinder Erny sehr skeptisch. Erstaunlicherweise halten die Kinder untereinander schon Kontakt, den es gibt bei Oskar wieder Fotos mit Marie und Julie. Auch in der nächsten Generation war Werner (Sohn von Oskar) und Wolfgang (Sohn von Julie) eng befreundet.
Am 17. Sept 1908 heiratet sein ältester Sohn Hans, 33 Jahre alt, Gertrud Prinz. Die Heirat findet in der Sommervilla statt.
Sein Sohn Hans sollte eigentlich der Nachfolger Georgs
in der Firma werden, das erzählten die Nachkommen von Hans. Er entscheidet sich aber für die militärische Laufbahn. Er wird Offizier, vor dem ersten Weltkrieg ein Beruf mit hohem Sozialprestige.
Ob das Georg recht war? Er war jetzt 65 und verheiratet mit Erny. Der andere Sohn Oskar war 5 Jahre jünger und wahrscheinlich noch im Studium in Berlin. Ich vermute es war ihm nicht recht - er
sieht schon etwas krank aus und hätte vielleicht gern sein Amt niedergelegt und in die Hände eines Sohnes übergeben.
Nach dem zweiten Weltkrieg wird Hans früh Anhänger der Nazis. Im dritten Reich ist er Abgeordneter im Reichstag und SS-Standartenträger.
Eines der wenigen Fotos bei dem Georg lächelnd in die Kamera sieht (1910):
Im Jahr 1910 gibt es das erste Foto mit der Schwiegertochter Elsa Koye. Im Dezember 1909 war Verlobung, im September 1910 haben sie geheiratet.
In dem Tagebuch von Erny werden viele Reisen beschrieben:
1902: Paris, Saargemünd (Besuch von Sohn Hans) Le Havre, Brüssel, Antwerpen und Berlin (Besuch von Sohn Oskar)
1903: Spitzbergen, Hildesheim, Eisenach
1904: Gran Canaria, Mailand, Schwarzwald, Speyer
1905: MonteCarlo, Mailand, Nizza, Kur in Marienbad
1907: Kur in Bad Vetiolo, Leviko
1908,1909: schlechte Gesundheit, Krankenhausaufenthalte, Blinddarmoperation
1910: Orientfahrt zu den heiligen Stätten
1911: Südamerikareise (Januar), NewYork(April), Leipzig, Weltreise: Nizza(Oktober-April), Bombay, Ceylon, Kalkutta, Phlippinen, Hongkong, Nagazaki
1912: Honolulu, San Franzisko, San Diego, Gran Canyon, Niagara, Paris (April) - Alexanderbad
1913: Franzensbad
Die weiteren Reisen wurden immer Besuchen von Geschäftsfreunden verbunden.
Erny beschreibt in ihrem Tagebuch die Reisen näher. Sie bezieht auf ein rotes Tagebuch, das ist aber nicht mehr vorhanden.
Von der Südamerika-Reise gibt es offizielles Fotobuch vom Reiseveranstalter.
Damit beginnt die Reise über Barbados - Pernambuco (Brasilien) - Santos - Sao Paulo - Montevideo - Punta Arenas (Chile) - Magellanstrasse - Valparaiso - Santiago de Chile - (und wieder zurück) - Buenos Aires - Rio de Janeiro - Bahia - Trinidad - Hamburg. Eine Weltreise war zu dieser Zeit bereits kein echtes Abenteuer mehr - bestens organisiert mit Ausflügen und großen Luxus auf dem Schiff. Gekostet hat die Reise sicherlich ein kleines Vermögen!
Die SS Blücher wurde 1901 für die Hamburg-Amerika-Linie auf der Werft Blohm und Voss in Hamburg gebaut. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde das Schiff in Pernambuco (Brasilien)
interniert und 1917 beschlagnahmt. Unter dem Namen Leopoldina wurde das Schiff unter brasilianischer Flagge wieder in Fahrt gebracht.
Technische Daten
· Doppelschrauben-Dampfschiff
· Länge: 160,20 m
· Breite: 19,00 m
· Tiefgang: 10,84 m
· Wasserverdrängung: 21.800 Tonnen
· Vermessung: 12.335 BRT / 7.629 NRT
· Antrieb: 2 Vierzylinderdampfmaschinen mit zusammen 9.000 PS (6.625 kW)
· Geschwindigkeit: 16 Knoten (ca. 30 km/h)
· Besatzung: 268 Personen
Im Grundstück befand sich auch ein Schwimmbad:(1911). Es war direkt hinter unserem Haus (Zur Hohen Warte 15) und hatte einen wunderbaren Blick auf die Landschaft.
Angabe des Jahresbetrages der Kapitalrente
Kommerzienrat Georg Baumann, Fabrikbesitzer Amberg 10.064M:
Angabe etwaiger zum Abzug gelangender Passivzinsen, Passivrenten und sonst. Lasten nach Verträgen
(das sind die 3.5% Zinsen aus dem Vergleich zur Erbschaftsauseinandersetzung)
6.300 an Frau Julie Helwig München
6.300 an Frau Marie Barth Lauf a.P.
11.000 an Rittmeister Hans Baumann, Saargemünd
so verbleibt eine Passivrente von 13.536M.
Unterschrift 10.Mai 1911
Oskar war zu diesem Zeitpunkt Nachfolger in der Firma und hat daher keine Abfindung nebst Zinsen bekommen. Passivrente heißt vermutlich seine Einnahmen aus Zinsen waren geringer als seine
Zinsausgaben an die Kinder.
Das Foto vom Mai 1913 zeigt Georg, Erny und die Schwiegertochter Else mit dem Enkel Werner (meinen Vater) am Schoß. Im Hintergrund sieht man das Gartenhäusl und die vielen angepflanzten Obstbäume.
Im Juni 1913 folgen zwei Fotos von einem Kindergarten. Wahrscheinlich ist es der firmeneigene Kindergarten, der zu der Zeit bereits betrieben wurde. Beim ersten Bild steht Georg im Hintergrund. Die Kinder haben nachgemachte Pickelhauben auf, der Federbusch ist durch Papierstreifen nachgebildet. Es gibt etwas die martialische Begeisterung der Gesellschaft für das Vaterland wieder. (Heute wären Soldatenhelme mit Fahnen und Trommeln im Kindergarten kaum denkbar!)
Im August 1913 unternehmen sie eine Reise nach Franzensbad nahe Eger. Franzensbad liegt heute in Tschechei. Moorpackungen, Moorbäder werden auch heute noch gegen Herz-, Kreislaufbeschwerden als
auch gegen Beschwerden an den Gelenken angepriesen. Dies könnte Hinweis auf seine Krankheit sein. Auch Sohn Oskar litt sehr unter der Gicht. Die Ursache für Gicht ist ein erhöhter
Harnsäurespiegel. Bei unbehandelter Gicht können sich Kristalle in Organen ablagern und dies führt zu einer Niereninsuffizienz. Die Lebenserwartung ist verkürzt und mehr als die Hälfte der
Patienten stirbt schließlich an Erkrankungen des Herz- und Gefäßsystems. Dies würde auch zusammenpassen mit der Todesanzeige, die von “langen, schweren Leiden” spricht.
Gicht ist sehr schmerzhaft. In den Fotos meint man den Schmerz und die Erschöpfung fast zu sehen.
Das ist wahrscheinlich das letzte Foto von Georg. Er sieht schon schwer gezeichnet aus. Und Erny hat ihn begleitet.
Es sind Moorbäder in Franzensbad.
Am 28.9.1913 verstirbt mein Urgroßvater Georg. In der Todesanzeige heisst es “nach langen schweren Leiden”. Mein Vater hat mir erzählt, dass im Haus ein Extrazimmer als Krankenzimmer angebaut wurde. Meine Schwester Susi meint Erzählungen zu erinnern, dass Georg eine Krankenhausphobie hatte und dass aus diesem Grund dieses Extrazimmer erstellt wurde.
Tagebuch Erny:Gg hatte noch Lust nach Franzensbad zu reisen, da ihm die Bäder doch sehr wohl taten u so fuhren wir Mitte August 13. Der gute Mann bekam aber immer wieder mit Schmerzen u Qualen zu tun u so kehrten wir am 15.Sept zurück. Georg legte sich zu Bett u stand nicht mehr auf, da er sich schwächer fühlte u schloß seine lieben Augen am 28.Sept abend um 3/4 7 Uhr für immer. Die Pflege der letzten Wochen hatte auch mich sehr angestrengt u durch eine Spülung, die ich längst machte für den guten Mann, erwischte ich etwas vom Gift u wurde auch krank. Gusty blieb bei mir für einige Zeit u Oskar u Else nahmen sich sehr um alles an.
Auffällig sind die Vereine, die ihre Mitglieder zur Teilnahme an der Beerdigung aufrufen (Telefon gibt es noch nicht): Gesangsverein Erheiterung, Allgemeiner Turnverein Amberg, Veteranen- und
Kriegerverein, Verein deutscher Waffenbrüder Amber und Umg., Turnverein 1861, Alpenverein, Freiw, Sanitätskolonne, Kriegerbund Amberg und evang. Arbeiterverein. Merkwürdigerweise gibt es keine
Anzeige der Angehörigen - oder diese ist nicht existent (das ist fast wahrscheinlicher).
Der Nachruf in der Zeitung geht leider nicht auf sein Leben ein. Eigentlich ist es auch kein Nachruf sondern Abdruck “aus Arbeiterkreisen gehen uns folgende Zeilen zu”. Der Text deutet aber auf
eine große Beliebtheit hin.