Stichpunkte:

  • 1905 Produktionsproblem "Fischschuppen" aufgrund der Umstellung auf Flußeisen in der Blecherstellung
  • 1910 Handelseinschränkung durch Schutzzölle in Österreich-Ungarn und Skandinavien
  • 1912 Erste Entlassungen, steigende Rohstoff- und Lohnkosten, gleichzeitig Unruhen in Persien und China, Balkankrise
  • 1913 Umbenennung in "Gebrüder Baumann"
  • 1913 Georg I (70) verstirbt, Sohn Oskar (33) wird Teilhaber
  • 1913 erstmals Entlassungen aufgrund von Auftragsrückgang
  • Abbruch der Produktion durch 1.Weltkrieg
  • 1918 Erhard I (47) verstirbt, seine Frau Babette (39) übernimmt die Anteile

Das Jahr 1905 stellte das Werk vor ein schwerwiegendes technisches Problem. Ab 1905 verwandte man statt des bisher gebrauchten Schweiß- oder Puddeleisens, Flußeisen zur Blechherstellung. Das daraus entstandene Blech erwies sich aber als für das Emaillieren ungeeignet, da das Emaille nicht mehr haften blieb, sondern sich schuppenförmig ablöste. Das Phänomen wurde daher “Fischschuppen" genannt. Nach anfänglicher Ratlosigkeit, fanden die Gebrüder Baumann zunächst eine recht seltsam anmutende Methode zur Bekämpfung dieses Phänomens: Sie ließen die Geschirre unter Einwirkung von Säure, auf Regalen, anrosten. Auf der so behandelten Oberfläche blieb das Emaille sogar stärker haften, als auf den bisher verwandten Blechen. Das Rosten aber brauchte Zeit, erforderte riesige Lagerräume, und verschlang Eisen und Säure. Trotzdem blieb es für mehrere Jahre das einzige Verfahren, die Fischschuppen, die die Existenz der Firma vorübergehend gefährdeten, zu bekämpfen.

1906 zeichnete sich eine weitere Krise ab. Der Export ging allgemein zurück , was nach Ansicht der Gebrüder Baumann, auf die ungünstigen Zollbedingungen zurückzuführen ist. Um die, bei der Bekämpfung der Fischschuppen entstandenen Mehrkosten für Säure, Eisen, und notwendige Lagerhallen, decken zu können, hatten sie bereits 1905 die Verkaufspreise ihrer Produkte erhöht. Das wirkte sich nun zusammen mit den relativ hohen Auslandszöllen negativ auf die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens aus. Eine kleinere Rolle mag auch der im Herbst 1906 auftretende Waggonmangel gespielt haben, der den Transport der Waren erheblich verzögerte. Jedoch war auch diese Krise bereits im kommenden Jahr wieder überwunden. Nach Schätzungen der Industrie- und Handelskammer, exportierte das Werk 1907, Waren im Wert von über 3 Millionen Mk, und die Gebrüder Baumann sprachen in ihrem Bericht an die Industrie- und Handelskammer in Amberg, von einem guten Geschäftsjahr. [2]

1906 eine große Ausstellung in Nürnberg [11]
1906 eine große Ausstellung in Nürnberg [11]
1907 Blick vom Berg [11]
1907 Blick vom Berg [11]
Ansicht von 1907  (10 Kamine) [11]
Ansicht von 1907 (10 Kamine) [11]

In der Dollackerchronik[1] wird für 1907 vermerkt: "Die Firma exportierte Waren im Werte von 3 Millionen Mark". Bei einer Exportquote von 70% würde das einem Umsatz von 4-5 Mio Mark entsprechen. Außerdem wird festgehalten "Kommerzienrath Georg Baumann übernahm den Vorsitz im Handelsgremium".

Die Firma wurde ein Wirtschaftsfaktor für das Umland. So zog beispielsweise die Fentsch-Brauerei wegen der Firma nach Amberg. Der Brauereibesitzer Johann Fentsch (1856-1933) schreibt in seinem Lebenslauf [Quelle?]: “Die Brauerei und Gastwirtschaft Zur Sonne entwickelte sich beim Aufstieg Deutschlands in den 80iger Jahren, wo besonders die Maxhütte sich erweiterte und ausbreitete und reiches Absatzgebiet für gutes Bier bot, deren Versorgung grösstenteils in meinen Händen ruhte und dem sich ein großer Absatzmarkt in Amberg in späteren Jahren anschloss, besonders in den Betrieben meiner Verwandten Baumann. In deren Emaillie- und Quarzwerken fand sich reicher Absatz, wodurch sich unser Geschäft zu einem der bedeutendsten Mittelbrauereien hiesiger Gegend entwickelte. Im Jahre 1907 durch …..veranlasst wurde durch Eintritt Herrn Carl Becher ins Geschäft eine G.m.b.H gegründet und verzog ich nach Amberg, um in der Umgebung meiner Verwandten Baumann, mit denen ich auf besonders gutem Fuße stand, das Geschäft meinem Teilhaber überlassend .. Im Jahre 1915 verstarb Herr Becher plötzlich und ich musste wieder die Geschäftsführung  übernehmen, während fast sämtliche Angestellte und Arbeiter im Kriege waren...”. 1922 wird aus der Fentschbrauerei das Brauhaus Amberg gegründet.

Statuten des Pensionsfonds 1908 [11]
Statuten des Pensionsfonds 1908 [11]

1908 wurde ein Pensionsfond für arbeitsunfähige und langjährige Mitarbeiter eingerichtet. Das Fondvermögen war bei Gründung 1907 123.000M. Aus den Zinserträgen wurden die Pensionen, eigentlich wohl Zusatzpensionen bezahlt. Für einen Mann mit 20-25 Jahren Beschäftigungsdauer betrug die Pension 30M. Immer wieder wurde die Freiwilligkeit dieser Leistung durch die Firma betont. Der Klassenkampf wird aus dem letzten Paragraphen ersichtlich: “.. die weder der Sozialdemokratischen noch der christlichsozialen ... Organisation angehören”. Wobei “christlichsozial” etwas überrascht, da mir keine entsprechende Organisation bekannt ist.

1908 aber veränderte sich die Situation erneut. Die Industrie- und Handelskammer in Regensburg, berichtet von einer allgemeinen Depression und Stagnation der Wirtschaft in der Oberpfalz. Die Gebrüder Baumann machten wiederum die Schutzzollpolitik der Industrieländer für den flauen Geschäftsgang verantwortlich.

Mayrhofer schreibt: "1908 beschäftigten wir 2900 Arbeiter und 78 Angestellte. Der Absatz stiegt stetig bis 1908 und verblieb etwa 4 Jahre auf dieser Höhe."

1909 war ihr Geschäftsverkehr mit Österreich-Ungarn sowie den skandinavischen Ländern Dänemark, Schweden und Norwegen, eben aufgrund dieser Zollpolitik beinahe vollkommen abgeschnitten. Auch der Austausch mit Italien war erschwert, da sich das Land, durch den italienisch- türkischen Krieg politisch in Unruhe befand. Die Firma war, da auch der Bedarf in Deutschland zurückging, gezwungen auf Lager zu arbeiten, hatte also einen Rückgang des Geschäftes zu verzeichnen.[2]

Gemalte farbige Bild mit Fabrikansicht etwa 1909,  12 Kamine [11]
Gemalte farbige Bild mit Fabrikansicht etwa 1909, 12 Kamine [11]
Babette mit Kinder (Vermutlich Else(6) und Brunhilde(3)) in der Villa von Christian vor dem Fabrikgelände ca.1905
Babette mit Kinder (Vermutlich Else(6) und Brunhilde(3)) in der Villa von Christian vor dem Fabrikgelände ca.1905

Das undatierte Foto kommt aus dem Haus in der Jahnstr. 1 (später bewohnt von Brunhilde und dann abgerissen und heute mit Reihenhäusern bebaut). Man sieht vorn rechts das Bürogebäude und die dahinter liegenden Kamine. Vermutlich ist es Babette mit ihrem Kindern Else und Brunhilde. Das Bild wäre dann etwa von 1905.


Katalog von 1909
Katalog von 1909

Vom Juni 1909 gibt es einen Katalog in gebundener Form: Aufschrift “Seinem lieben Sohn!”. Aus dem eingeklebten Foto (Oskar, Sohn Werner, Elsa) vermute ich, daß es Oskar seinem Sohn etwa 1913 geschenkt hat. Mein Vater Werner (*1911) dürfte da so 2 Jahre alt sein.
In dem Katalog werden jetzt deutlich mehr Emailien angeboten. Im Katalog selbst sind 3945 Artikelgruppen aufgeführt.

1909 ein Blick in Richtung Stadt, heute Ecke Emailfabrikstrasse (links)/ Jahnstrasse(rechts).
1909 ein Blick in Richtung Stadt, heute Ecke Emailfabrikstrasse (links)/ Jahnstrasse(rechts).

Die Auszeichnungen in Ausstellungen wurden in einem Katalog erwähnt.


Medaille von der Ausstellung in Turin 1911 [11]
Medaille von der Ausstellung in Turin 1911 [11]

Die einzige Medaille, die ich noch kenne. 1984 wurden in dem Ausstellungsraum der Firma mehrere Nedaillien ausgestellt, die jedoch nach dem Konkurs verloren gegangen sind,.

Nach einem recht guten Geschäftsjahr 1910 , kam es 1912 zur schwersten Krise der Firma, während der ganzen Entwicklung bis 1914 . Ausgelöst wurde sie vor allem durch Schwierigkeiten im Export, da aufgrund der Balkankrise vor allem des Tripoliskrieges zwischen dem Exportland Italien und der Türkei, und gleichzeitiger Unruhen in China und Persien, die Ausfuhr in diese Gebiete fast unmöglich war. Zudem war eine Verteuerung der Produkte unumgänglich, da einmal die Rohstoffpreise stiegen, und zum anderen die Löhne angehoben wurden. Beides verursachte Mehrkosten, die so gedeckt werden mußten um weiterhin gewinnbringend zu produzieren. Die Preiserhöhung führte zu einem Rückgang der Verkaufszahlen und machte sich auch in einem Rückgang der Arbeiterzahl bemerkbar. Zählte die Firma zu Beginn des Jahres 1912 noch 2447 Beschäftigte, so waren es Ende 1912 nur noch 2257.  Als die Krise auch 1913 weiter andauerte, kam es  zu der ersten Arbeiterentlassung der bisherigen Firmengeschichte. Es genügte nun nicht mehr, wie bisher nur das freiwillig gegangene Personal nicht mehr zu ersetzen, sondern der Ernst der Lage erforderte die zwangsweise Ausstellung von Arbeitern.[2]


In einem Artikel der Amberger Zeitung vom 11.12.1951 werden genauere Daten erwähnt. So heisst es dort: Anfang des Jahrhunderts erreichte die Kapazität mit 12-15.000 Stück Geschirre/Tag die höchste Kapazität mit 2200 Beschäftigten. Allgemeiner Ausfall im Export, verursacht durch die andauernden Krisen auf dem Balkan, sowie die Schutzzollmauern, mit den sich alle Industriestaaten umgeben hatten, vermehrte Ausgaben durch Erhöhung der Löhne, sowie der Steuern und Umlagen, führten 1913 schliesslich zu einem Tiefststand.


In der Dollackerchronik[1] wird für 1911 vermerkt:"Der Konsumverein der Baumannarbeiter verteilte aus dem Gewinn des Ladengeschäfts 10, aus dem Lieferenatentgeschäft 6 v.H." Die Belegschaft unterhielt ein eigenes Geschäft, das am Rande des Werks untergebracht war.

Das weitgefächerte Artikelspektrum verlangte auch den Besuch von Spezialausstellungen, so 14-31.8.1913 die 5. große Süddeutsche Drogisten-Fachausstellung.

Drogisten-Fachausstellung von 1913.[11]
Drogisten-Fachausstellung von 1913.[11]

Im Katalog von 1909 tauchte zum ersten Mal “Leichtgeschirr” auf, das waren die gleichen Artikel aber aus dünneren Blech, und daher günstiger etwa um 15%. im Katalog von 1913 kommt zusätzlich die Serie “Extraschwere Geschirre” mit dem etwa doppelten Preis.

Katalog von 1913
Katalog von 1913

Bei den Katalogen war ein kleines Büchlein dabei, das offensichtlich die Konditionen aller Kunden enthält. So steht bei München: Kustermann (den gibt es heute noch) 15 (sehr wahrscheinlich %), bei 2000 kg 18% und bei Waggon 22%. Das Büchlein enthält eine Vielzahl von Städten in Deutschland - also ist es wahrscheinlich eine gute Übersicht aller Eisenwarenhändler in Deutschland... Vom Aussehen des Büchleins her, schätze ich es auf etwa 1910 - leider stehen keine Jahreszahlen dabei.

Verzeichnis der Kundenrabatte, undatiert [11]
Verzeichnis der Kundenrabatte, undatiert [11]

Die Geschäftsbeziehungen waren natürlich auch Problemen unterworfen.
Mayerhofer: "Das Jahr 1911 brachte uns ferner die Firma Ferdinand Bolf in Wien zu, der wir am 14.Juli 1911 den Alleinverkauf für Österreich-Ungarn mit Ausnahme von Salzburg übertrugen. Gemäß seinen großartigen Versprechungen bezog er bald in Wagenladungen, aber bereits nach 2 Jahren mußte er wegen Ordnung seiner Kontos an uns herantreten. Aus diesem Anlaß begaben sich die Herren Erhard, Oskar, Mayerhofer und Haas nach Wien. Wie sich herausstellte, war Bolf zwar ein guter Verkäufer, aber kein Buchhalter. Alle seine Bücher waren verschlampt. Auf das hin wurde der Alleinverkauf auf fest Rechnung, der uns beträchtliche Verluste brachte, in eine Vertretung gegen Provision umgewandelt."

Der gleiche Sachverhalt ist in einem Brief von Erhard aus Wien beschrieben:

Wien 2.12.13

Lieber Georg!

Deine Depesche gelangte in meine Hand und wir widmen selbstverständlich dem Posten Privateinlagen alle Aufmerksamkeit. Um gleich bei diesen Punkt zu bleiben so ergibt sich aus den seither geprüften Buchungsweisen, daß tatsächlich die angeführten Posten von Frau B, dann Ihrer Mutter sowie ein Sparkassenbrief der Kinder eingelegt sind. Es wurden in der Zeit aber dagegen wieder kleinere und größere Abhebungen gemacht, die aber alle vollkommen buchungsmäßig eingetragen sind. Soweit man bis heute überschlagen kann, dürfte der tatsächl. Bestand der (den obigen) noch ein Geschäft steckenden Einlagen sich auf unter 30-35000 Kr beziffern. In der Buchführung an sich konnten bisher keine unregelmäßigen Posten festgestellt werden. Es scheint nur auf die Führung der Bücher nicht die nötige Zeit verwendet worden zu sein. So sind sehr viele Conti nicht addiert, auch ist kein Saldo gezogen worden, so daß ein rascher Überblick unmöglich ist. Das Alles muß nun, um die wünschenswerte Grundlagen zu bekommen, durch Herren M(ayerhofer) u H(aas) aufgeholt werden. Es erfordert viel Zeit, aber wir hoffen alle, daß die Arbeit sich lohnt.

Unter den Außenständen sind sehr wenig doubiose Posten aus neuerer Zeit, sondern sie stammen meist aus Jahren in denen B noch nicht mit uns arbeitete B. gibt willig alle Hilfsmittel zur Aufklärung der Lage und bietet die Bücher aus früherer Zeit, welche die ersten Einlagen von ihm und seiner Frau enthalten von selber an. Das Warenlager schätzt J.Mayerhofer auf 15-20000Kr unter der Voraussetzung daß es freihändig verkauft werden kann. Die Außenstände dürften sich vielleicht höher ergeben als B. selbst annimmt, aber Genaueres läßt sich natürlich nicht sagen bevor die Überprüfung zu Ende. Wie bisher bearbeitet werden konnte, beziffern die baaren tägl. Eingänge 1000Kr und mehr. Wechsel sind fast gar keine vorhanden.

Die allgemeinen Geschäftsaussichten sind sehr gut. So ist der Absatz allein mit dem hiesigen Arbeiter Konsum Waren seit 1911 rund 88000 Kr. Die Reisenden machen wie Haas u. Mayerhofer, die sie gesprochen haben, einen sehr guten Eindruck. Sie scheinen sehr tüchtig u. branchenkundig zu sein. Alle drei klagen aber über die zu langsame Lieferung der bestellten Waren.An Gehalt und Reisespesen ließen sich für jedes der Jahre 1909,10 u. 11 ein Gesamtbetrag von unter 30000 Kr feststellen.Was die Ladenmiete betrifft, so ist wie schon berichtet, das Lokal auch noch 2 Jahr gemietet. Der Betrag ist seither bezahlt und die nächste Rate im Februar fällig. Die bis jetzt ersichtliche weitere Situation Ist nun folgende:

1.Das Verhalten B’s ist vertrauenerweckend. Er scheint ein sehr guter Verkäufer mit großer Kenntnis der Kundschaft, aber kein Buchhalter zu sein

2. Die vollständige Durchführung der Prüfung aller Bücher ist unerläßlich. Die dürfte bis Donnerstag vollständig erledigt sein.

3.Donnerstag Nachm. oder am Freitag kann dann nochmal eingehend mit B. über die Form der Fortsetzung des Geschäftes verhandelt werden, die nach unser aller Meinung anzustreben ist und aussichtsreich erscheine,

4. Momentan wird unser Guthaben nicht hereinzubringen sein, aber wir dürfen hoffen dass es nicht verloren ist, sondern teils aus den Außenständen teils aus Posten künftiger Komision gedeckt zu werden vermag. Das alles aber nur, wenn sich eine Basis findet um weiterzuarbeiten.

Bringen wir B. jetzt zum Konkurs so dürften in Anbetracht der vielen Posten wohl kaum mehr als 15-20000Kr zu retten sein.

Hiermit die Lage. Wir müssen, wie Du siehst eben noch einige Tage aushalten u. ganz auf den Grund gehen. B. selbst drängt natürlich, um seiner Leute willen einer baldigen Klärung entgegen. Wie ist deine Ansicht auf Grund meiner seitherigen Berichte?

Oskar, sowie M und H lassen dich bestens grüßen.

Herzl. Gruß dir u. Helene auch meinerseits.

Dein Vetter Erhard

 

Der ganze Vorgang ist nicht so einmalig und passiert genauso heute...

Am 28.9.1913 verstirbt mein Urgroßvater Georg I. In der Todesanzeige heisst es “nach langen schweren Leiden”, vermutlich Gicht. Mein Vater hat mir erzählt, daß im Haus ein Extraraum als Krankenzimmer angebaut wurde. Meine Schwester Susi erzählt, dass Georg I eine Krankenhausphobie hatte und dass aus diesem Grund dieses Extrazimmer erstellt wurde.

Todesanzeige mit Zeitungsausschnitten [Quelle?]
Todesanzeige mit Zeitungsausschnitten [Quelle?]

Auffällig sind die Vereine, die ihre Mitglieder zur Teilnahme an der Beerdigung aufrufen (Telefon gibt es noch nicht): Gesangsverein Erheiterung, Allgemeiner Turnverein Amberg,Veteranen- und Kriegerverein, Verein deutscher Waffenbrüder Amberg und Umg., Turnverein 1861, Alpenverein, Freiw. Sanitätskolonne, Kriegerbund Amberg und evang. Arbeiterverein.

Im Nachruf wird der Edelmut des Verstorbenen zitiert, der statt Entlassungen und Lohnerhöhung der Gebliebenen entschied: “Sie glauben nicht, wie hart es für einen Arbeitgeber ist, einen um Arbeit bittenden gehen zu lassen und zumal für mich; ich kann doch den Leuten, wenn sie mich um Brot bitten, keinen Stein geben. Sagen sie ihren Kollegen, wenn alle Brot haben ist es doch besser, als wenn ein Teil Fleisch ist und die anderen haben kein Brot für sich und ihre Familien”.

Oskar (1880-1944), Bild von Oskar im Hauptbüro, etwa von 1935.
Oskar (1880-1944), Bild von Oskar im Hauptbüro, etwa von 1935.

Oskar folgte seinem Vater Georg in die Firma. Der älteste Sohn Hans bevorzugte die militärische Laufbahn.

 

Über das Jahr 1914 und danach, liegen keine weiteren Quellen vor, da mit Kriegsbeginn keine Aufzeichnungen mehr gemacht wurden, oder sie während des Krieges verloren gingen. Der Krieg hatte das Unternehmen stark beeinträchtigt. Viele seiner ausländischen Niederlassungen wurden während des 1. Weltkrieges zerstört. Ein Beispiel waren die gerade neu gegründeten Handelsniederlassungen entlang der sibirischen Eisenbahn in Rußland, das die Firma gerade erschließen wollte. Durch diese Entwicklung war das Unternehmen nach dem Krieg gezwungen im Exportgeschäft noch einmal mehr oder weniger von vorne anzufangen. Fest steht, daß der 1. Weltkrieg für die Firma "Johann Baumanns Witwe", einen großen Einschnitt, und das Ende ihrer Prioritätsstellung auf dem Weltmarkt bedeutete.

In der Dollackerchronik wird für 1914 vermerkt: "Bestimmungsgemäß schieden die Magistratsräte .. Erhard Baumann am 22.Dezember aus dem Magistrat... Für Schmidt und Müller traten Emailliermeister Fickenscher .. ins Kollegium".

Georg II Baumann mit Frau Helene und v.l. den Kindern Erich und Kurt, etwa 1915.[11]
Georg II Baumann mit Frau Helene und v.l. den Kindern Erich und Kurt, etwa 1915.[11]

Aufgrund der vorhandenen Kataloge habe ich mal beispielhaft die Preisentwicklung von 3 Artikeln herausgesucht. Bis 1890 hat wahrscheinlich eine verbesserte Produktivität mit zunehmender Konkurrenz zur Senkung der Preise geführt. Der durch Materialkosten- und Lohnkostenerhöhung erzwungene Preisanstieg im Katalog von 1913 ist enorm: im Schnitt 75% zum Katalog von 1909! Eventuell könnte es sich um unterschiedliche Preislisten (Wiederverkäufer und Endkunden) handeln.

Der Hintergrund dürfte die Kriegsinflation sein. (Hintergrund: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/innenpolitik/inflation/index.html). Die Geldmenge verfünffachte sich zwischen Kriegsbeginn und Kriegsende.

Preisentwicklung von 3 Beispielartikeln aufgrund vorhandener Preislisten
Preisentwicklung von 3 Beispielartikeln aufgrund vorhandener Preislisten
 "Gold gab ich für Eisen"  Sammlungen im 1. Weltkrieg [11]
"Gold gab ich für Eisen" Sammlungen im 1. Weltkrieg [11]

Durch die Sammelaktion “ Gold gab ich für Eisen” wurde in der Bevölkerung Gold gesammelt. Auch die Baumänner beteiligten sich, die Urkunde wurde am 26. März 1918 ausgestellt (Kriegsende war im November 1918). Vielleicht wurde auch bereits vorher gespendet. Die Inschrift am Ring ist: “1914 Vaterlandsdank” und auf der Kette “1916 Gold zur Wehr - Eisen zur Ehr”. Ob die Sammelaktion besonders erfolgreich war, konnte ich nicht recherchieren. Es heißt nur an einer Stelle: “mit großer Begeisterung tauschten alle Schichten der Bevölkerung”.
In der Dollackerchronik wird für 1915 vermerkt:"Zum Besten der Nationalstiftung für notleidende Hinterbliebene gefallener Krieger wurde am 14.Januar unter Leitung der Fräulein Neumarck und des k. Bankkassierers Lukas eine Sammelstelle errichtet, welche Gold, Silber und Edelsteine entgegennahm und dafür eiserne Fingerringe eiserne Uhrketten abgab."

Die Anzahl der unterschiedlichen Artikelarten hat sich erwartungsgemäß erhöht im Laufe der Zeit.

Zunahme der Artikelvielfalt bis zum 1.Weltkrieg
Zunahme der Artikelvielfalt bis zum 1.Weltkrieg
Blick über die Dächer des Emaillierwerks zum Berg; etwa 1915
Blick über die Dächer des Emaillierwerks zum Berg; etwa 1915

Am 17.1.1913 wurde die Firma in “Gebrüder Baumann” umbenannt.

Mayrhofer: “1913 sank die Nachfrage und der Umsatz ganz erheblich, der unselige Weltkrieg warf seine Schatten voraus. Im Ausland, besonders in den überseeischen Gebieten traute man sich nicht mehr zu bestellen. Mit dem Eintritt des Weltkrieges wurde das Geschäft ganz unterbunden und nur mit größten Schwierigkeiten und durch die Hinzunahme der Erzeugung von Heeresartikeln konnte es weitergeführt werden. Es stellte an die Leitung die größten Herausforderungen”

Essensträger [Internet]
Essensträger [Internet]

Ein Sammler hat mir das Foto eines Essenträgers geschickt. Die wird einer der hergestellten Heeresartikel sein. Die Herstellung von Helmen wird behauptet, aber es gibt keinerlei Beweis oder Hinweis.

Ausschnitt Chronik 1925
Ausschnitt Chronik 1925

Transskription:
1914-18 wurden Granathülsen, Teile von Kriegesbomben und von Handgranaten gemacht.

Aus der Dollackerchronik:
1914: "Die Emailfabrik Baumann musste wegen Kohlenmangel den Betrieb einstellen; sie stiftete für ihre Angestellten bzw. deren Angehörige 60.000 M. Von den bisher beschäftigten 2400 Personen konnten am 28. Oktober 826 die Arbeit wieder aufnehmen. Mangel an Rohstoffen und Kohlen erlaubte während der ganzen Kriegsdauer nicht über die Höchstzahl von 1184 Arbeitern bzw. Arbeiterinnen hinauszugehen"

1916: "Die Baumann'sche Fabrik fertigte für das Heer emaillierte Kochgeschirre, emaillierte Kameradschaftskochapparate, Armenspeisträger und täglich 10.000 Handgranatenbecher"
1917: "Die Baumann'sche Fabrik produzierte außer den bisherigen Erzeugnissen noch Fliegerbomben"  (gemeint sind Hülsen für Fliegerbomben).
1918: "Die Baumann'sche Fabrik fertigte außer den früheren Erzeugnissen Kartuschenhülsen und Zwischenlager für Feldgranatenkörbe." (gemeint sind Zwischenböden)

Bilanz 1914/15 [11]
Bilanz 1914/15 [11]

In einem Katalog habe ich eine Gewinn-/Verlustrechnung und Bilanz von 1914/15 gefunden. Das ganze ist nur ein Blatt. Leider kann man aus dem Blatt nicht den Umsatz herauslesen, als Gewinn “Warengewinn” wird 271.031M vor Abschreibung ausgewiesen. Dazu kommt der Ertrag aus den Wäldern, Miethäusern und Hypotheken - das ergibt den Gesamtertrag nach Steuern von 221.156 M. Der Hypothekenbestand wird mit 464.636M angegeben mit einem Ertrag von 17.343M, also 3.7% Verzinsung. Die Abschreibung auf Maschinen beträgt 35.173M, während der Anlagewert 262.000M beträgt.
Als Steuer wird 30.367M angegeben - bei dem Ertrag nach Abschreibung wären das 13.7% Steuern.

Die Bilanzsumme beträgt 5.286.621M - der größte Posten ist das Bilanzlager 1.563.887 (vermutlich Warenlager), Aussenstände 570.121, Gebäude 865.000 und schließlich Hypotheken und Darlehen 464.636 (das dürften die Barmittel sein).

1918 wurde eine besondere Kriegsabgabe verlangt. Aus der Bundesfinanzakademie heisst es Erzberger Reformen: “Die Kriegsabgabe vom Vermögenszuwachse (Gesetz vom 10. September 1919) sollte die 1916 eingeführte Kriegsgewinnbesteuerung zum Abschluß bringen. Zu diesem Zweck wurde das Vermögen am 30. Juni 1919 dem am 31. Dezember 1913 gegenübergestellt. Der einen Freibetrag von 5000 Mark übersteigende Vermögenszuwachs wurde mit einer durchgestaffelten Abgabe von 10 bis 100 v.H. belegt.” (Bemerkung 100 v.H. ? heisst das bis 100% Steuer?)

1918 Kriegsabgabe
1918 Kriegsabgabe

Im Steuerbescheid zur Kriegsabgabe wird ein “Friedens”.Einkommen von 76.479 M für 1915 angegeben, das stimmt in etwa mit der Bilanz 1915/16 überein, dort wird 61.742 M je Teilhabe angegeben. Als “Kriegs”-Einkommen für 1919.steht dort 813.298 M! Also der 13-fache Gewinn an Kriegsende, das klingt kaum realistisch. “Die umlaufende Geldmenge verfünffachte sich von Kriegsbeginn” bis 1918., DHM.. Das heisst die Gewinnsteigerung ist eine Folge des Wertverlustes der M. Allein in 1919 hat sich der Dollarkurs von Jan 1919 1,49 bis Dez.1919 auf 11,14 RM/US$ bereits versiebenfacht.
Aber immerhin wurde 1918 noch mit Gewinnen gewirtschaftet.

 

Aus einer ähnlichen Zeit, also vor 1918 kommt dieses Foto. Mein Vater hat Erhard Baumann (1871-1918) mit einer 1 gekennzeichnet (unverkennbar mit dunklen Hut), Oskar rechts von ihm mit einer 2.
In der ersten Reihe meint man noch Fritz Lippold (2.v.l.) und Josef Mayerhofer (3.v.l.) zu erkennen.

Foto etwa 1917, Anlaß unbekannt
Foto etwa 1917, Anlaß unbekannt

Ein 100M Schein (1908), der aus der Zeit übrig geblieben ist. Wahrscheinlich waren nach der Inflation die 100 M einfach nichts mehr wert und so wurden sie gesammelt aufgehoben.

100 Mark Schein von 1908 [11]
100 Mark Schein von 1908 [11]

Entwicklung der Mitarbeiter:
Neben der Verwaltungsangestellten “Comptoristen” gab es gelernte Arbeiter und ungelernte. Die ungelernten machten 1906 70% des Personals aus und wurden für bestimme Aufgaben (zb. Emailmüller, Schmelzer, Heizer, Griffmacher, Geschirrannagler, Annieter...) angelernt. Besonders tüchtige wurden als Meister eingesetzt. Der Anteil der Frauen stieg von 17.5% 1884 auf 39.6% 1901 an. 1892 betrug das Monatsgehalt eine Comptorist 70 Mark, ein durchschnittliches Gehalt eines Arbeiters lag bei 51 Mark. [Quelle?]

Mitarbeiterentwicklung [2]
Mitarbeiterentwicklung [2]
Anzahl Emailieröfen [2]
Anzahl Emailieröfen [2]