1919-1948

1919 "Die Arbeiter der Gewehrfabrik hatten die Arbeit niedergelegt auch die Arbeiter der Baumann’schen Fabrik dazu gezwungen."[1]
1920 "Die Baumann'sche Fabrik musste am 21.Januar ihren Betrieb wegen Kohlenmangels auf einige Tage schließen."[1]
1922 "Die Emailfabrik Baumann musste am 3.Februar wegen Kohlenmangels 1.000 Arbeiter entlassen; sie feierte am 9.August ihr 50-jähriges Bestehen"[1]

1924 Verlust der finanziellen Reserven durch die Inflation

1925 Weitere Entlassungen

1926/27 erhebliche Verluste

1929 Erbauseinandersetzungen mit Sehmer

1930 Liquiditätsprobleme, da Banken keine Kredite ausgeben

1932 Zwangsversteigerung der Firma wegen der Erbauseinandersetzung und Rückkauf durch die Teilhaber

1935 Georg II bürgt für die Firma als Sicherheit für Kredite

leider keine weiteren Unterlagen bis 1948++++++

Nach 1918 (da Erhard fehlt), aufgenommen hinter dem Bürogebäude
Nach 1918 (da Erhard fehlt), aufgenommen hinter dem Bürogebäude
Personenverzeichnis
Personenverzeichnis

1
2 Frl. Aign
3 Frl. Pecher
4 Frl. Galli
5 H.Fraas
6
7
8 Wünschel
9
10 Zöllner

11 Ginewsky
12 H.Senft
13 H.Kretzmann
14 H.Zunner
15 H.Lippold
16 H.Luber
17
18 H.Dittmar
19 Oskar Baumann
20 H.Fenzl

21 H.Stiegelmann
22 Georg II Baumann
23 H.Gräfenhahn
24 H.Mayerhofer
25 H.Moedel
26 H.Gnan
27 H.Kühne?
28
29
30

31.H.Simon
32.H.Westermayer
33.H.Thoma
34.H.Thirmann
35 H.Them
36 Frl.König
37 H.Sturm
38 H.Haas
39
40


1918 verstarb Erhard Baumann, Kgl. Kommerzeinrat und Rittmeister der Landwehr I, an einem Schlaganfall. Er hinterließ Babette mit drei minderjährigen Kindern. Entsprechend dem Gesellschaftervertrag konnte Babette nicht in die Geschäftsführung eintreten. Sie beklagte sich über mangelnde Information über die Firmensituation. Ihr 15jähriger Sohn Hans war noch zu jung, er wurde erst 1928 einer der Geschäftsführer.
Ab 1918 lag daher die Firmenleitung bei Georg II und Oskar.

 

Mayerhofer: “Am 6.April 1920 erhielt Fritz Lippold die Prokura... Nach dem Kriege regte sich die Bautätigkeit wieder in den Jahren 1922,23,24 und 25, indem damals die Wohnhäuser für Angestellte in der Baumannstrasse und das obere Emaillierwerk erbaut wurden.”

Fritz Lippold war weitläufig mit den Baumanns verwandt. Carolina Henriette Baumann (1805-1878), eine Schwester des Johann Baumann (1808-1855 Vater der Firmengründer) hat einen Lippold geheiratet. Herr Johann Friedrich Lippold ist ein Nachkommen dieses Zweiges, geboren in Wunsiedel 3.5.1876 und gestorben in Amberg am 17.10.1952. Geheiratet hat er in Amberg am 4.6.1910 Betty Trambauer. Zusammen hatten sie 4 Kinder. Sohn Willi endete tragisch, er hat sich beim Gewehr putzen erschossen.

ca 1917 Beschriftung Werner Baumann - von links: ?, Erna Bock, Werner, Maria Koye (Mutter von Elsa - Frau von Oskar), Prokurist Lippold mit Sohn Willi, ?, Elisabeth, Otto Koye (Vater von Elsa)
ca 1917 Beschriftung Werner Baumann - von links: ?, Erna Bock, Werner, Maria Koye (Mutter von Elsa - Frau von Oskar), Prokurist Lippold mit Sohn Willi, ?, Elisabeth, Otto Koye (Vater von Elsa)
3.5.1921 Anbau des Hauptbüro an das Verwaltungsgebäude
3.5.1921 Anbau des Hauptbüro an das Verwaltungsgebäude

Das Hauptbüro, ein zusätzlicher, angebauter Raum, wurde als zentraler Treffpunkt der Teilhaber bis zum Ende der Firma genutzt. Die Wände waren holzgetäfelt. Über der Holztäfelung hingen die Bilder der früheren Teilhaber. Ein großer Tisch mit übergroßer Tischplatte stand in der Mitte des Raums mit 4 Stühlen - die 3 Teilhaber plus Prokurist konnten daran Platz nehmen. Unter der Tischplatte war ein Klingelknopf um eine Sekretärin zu rufen. Meist traf man sich hier zur Postbesprechung. Die Post, also die geöffneten Schriftsätze, standen in Holzschalen am Tisch und wurden herumgereicht. Entsprechend gab es auch Unterschriftsmappen, um Briefe abzuzeichnen. 

 

Trotz aller zeitbedingter Widerwärtigkeiten feierte das Unternehmen am 9. August 1922 sein 50jähriges Bestehen.
Im offiziellen Teil würdigte das Amberger Tagblatt am 9. August das Geschehen: "Heute kann die Firma Gebrüder Baumann dahier auf ihr 50jähriges Bestehen zurückblicken. Infolge der derzeitigen wirtschaftlichen Not unseres deutschen Volkes wurde von jeder Feier abgesehen. Das Arbeitszimmer der beiden Besitzer war heute mit Blumen geziert."
Im „Feuilleton“ würdigte dann die Zeitung die Leistungen der Verantwortlichen seit der Gründung des Unternehmens und die der Arbeiter, hier auszugsweise: "Während von des Berges Höhen gar freundliche Villen der Fabrikbesitzer herab in die Stadt grüßen, ist auch für gute Unterkunft der Arbeiterschaft Sorge getragen. Hunderte von Wohnhäusern sind entstanden oder in und außerhalb der Stadt angekauft worden. Große Grundstückkomplexe sind der Arbeiterschaft zur Gartenbenützung überlassen. Ausgedehnte Waldungen sind Eigentum der Firma usw. Dem Werke, das gegenwärtig über 1800 Arbeiter beschäftigen dürfte, stehen die Herren Georg und Oskar Baumann als Besitzer vor. Über 300 Arbeiter sind bereits länger als 25 Jahre dort beschäftigt. Auch einige mit 50 Jahren Dienstzeit, darunter solche, die vor Gründung der Fabrik schon in der Spenglerwerkstätte der Gründer als Lehrlinge beschäftigt waren."

Hauptbüro Tisch mit Blumen zur 50 Jahr Feier, Im Hintergrund Georg II Baumann
Hauptbüro Tisch mit Blumen zur 50 Jahr Feier, Im Hintergrund Georg II Baumann

Die Aufgabe dieser Zeit wird in der Werkzeitung vom März 1953 anlässlich des 75zigsten Geburtstages von Georg beschrieben:
“Die Schwierigkeit der Aufgaben mag daraus klar werden, daß er einen Betrieb mit fast 3.000 Mitarbeitern übernahm, der über 60% seiner Produktion exportierte. Mit einem Schlag war der Export durch den verlorenen Krieg (1914-18) abgeschnitten und zwang zu der mehr als unpopulären Aufgabe, die Belegschaft entsprechend zu verringern und den reduzierten Betrieb so umzugestalten, daß er wieder wirtschaftlich arbeiten konnte. Die Inflation zerstörte in wenigen Jahren die umfassenden Reserven der Firma und die darauffolgende Deflation, in der ein Kampf auf Leben und Tod zwischen den etwa 70 deutschen Emailfabriken entbrannte, nahm jede Möglichkeit für ein wirtschaftliches Arbeiten. Daß unser Werk über diese Zeit erhalten werden konnte, ist zum größten Teil unserem Herrn Kommerzienrat zu verdanken, der damals auch das nicht haftungsverpflichtete Vermögen seiner Frau als Kreditsicherheit gegeben hatte.” (Bemerkung: es ist nicht bekannt, wie Georg das Vermögen seiner Frau durch die Inflation erhalten konnte!)

1923 bekam Georg II für seine Verdienste den Kommerzienrat verliehen. Er war tätig im Vorstand der deutschen Arbeitgeberverbände, Ausserdem war er Vorstand des Arbeitgeberverbandes für die Bayerische Provinzmetallindustrie und Vorstand des Industrie- und Handelsgremiums Amberg.

Zu dem Thema Inflation 1923/24 bietet das Deutsche Historische Museum (www.dhm.de) gute Hintergrundinformationen.

Darstellung der Inflation 1919-1923 (Quelle: dhm.de)
Darstellung der Inflation 1919-1923 (Quelle: dhm.de)

Im November 1923 sind alle finanziellen Rücklagen in Bankkonten wertlos geworden.(http://www.dhm.de/lemo/objekte/statistik/infstad/index.html). Es sei denn sie waren in Dollar oder in Aktien. Vermutlich haben sich die finanziellen Reserven, die in der Bilanz 1916 noch ersichtlich waren, in der Inflation aufgelöst. In der Bilanz von 1924 sind laufende Bankschulden von 460.690,37 RM (das entsprach in etwa dem Warengewinn) aufgeführt.

Die Inflation hatte vielfache Auswirkungen. Nach dem Tod von Erhard 1918 wurde seine Erbe auf seine 3 Kinder und Frau Babette (sie erhielt den Firmenanteil und wurde Gesellschafter) verteilt. Da zwei Kinder (Hans und Brunhilde) noch minderjährig waren, übernahm die Mutter Babette die Verwaltung deren Erbschaft. Leider hat Babette 1923 sämtliche Wertpapiere verkauft. In dem Brief an das Finanzamt vom 6.2.1930 wird festgestellt, dass aus den 592.800 RM Erbe nur 60 RM nach der Inflation geblieben sind! Diese 60 RM sind aber auch nur Wertgegenstände, die mit dem “Papiergeld” aus dem Verkaufserlös der Wertpapiere gekauft wurden. Die älteste Tochter Else hat ihre Papiere behalten und diese waren immerhin noch 408.023 RM Wert. Nach der Ermordung von Babette 1927 wurde die Erbschaftssteuer mit Finanzamt abschließend geregelt. Die Bemessungsgrundlage der Erbschaftssteuer ist der Wert am Erbzeitpunkt, daher wurde mit dem Finanzamt um den Wert der Firma gefeilscht.  Die Erbschaftssteuer war vergleichsweise niedrig nur 4.5%, heute wären es 20%.

Aus dem Brief: “Bei der Berechnung des Betrages .. ist keine Erwähnung getan von dem Umstande, dass im Jahre 1923 alle Wertpapiere, die uns beiden jüngsten Kindern bei der Vatergutsverteilung zugestellt waren, unsere Mutter, ohne uns davon etwas zu sagen und ohne sich das Einverständnis des Vormundes oder der Obervormundschaft zu verschaffen, verkauft hat. Diese Wertpapiere .. wären aber aufgewertet worden; gegen die erhaltenen Papiermark hat sie Werte angekauft, die für jedes von uns nicht ganze RM 60.- aus gemacht haben.”

Bilanz 1924
Bilanz 1924

Die Bilanz von 1924 weist noch einen Warengewinn von 406.906M aus. Leider gibt es keine Warengewinnrechnung. Dort wären die Produktionskosten (Materialeinsatz, Löhne) enthalten. Die Bilanz wurde erst 1927 unterschrieben. Der Ertrag aus Restauration werden die Einnahmen der Bierhalle sein. Die Bierhalle war auf dem heutigen Postgelände.

Informationsschrift an die Mitarbeiter (Mai 1925)
Informationsschrift an die Mitarbeiter (Mai 1925)

Im Mai 1925 wurde ein Blatt an die Arbeiter verteilt mit der Überschrift: "Wie ist die Lage?". Zunächst wird die Exportlage (immerhin wurden vor dem Krieg 2/3 exportiert) durch die Zölle als dramatisch verschlechtert geschildert. Im Inland gibt es mehr Produzenten, die gleichzeitig weniger exportieren können - also zusätzlicher Preisdruck. Interessanterweise wird auch auf die höheren Qualitätsansprüche der Konsumenten verwiesen “Der Käufer dreht den Topf hundertmal und wenn er was zum Aussetzen findet, tut er es”. Gleichzeitig wird ein besseres Qualitätsbewußtsein im Werk angemahnt. “In die Geschirrichterei kommt bei uns Roh-Ware, die manchmal aussieht als hätte sie den Krieg an der Front mitgemacht”. Dann wird die ausserordentliche Besteuerung beklagt, die sich nicht am Gewinn sondern am Umsatz bemisst. Am Schluß werden Kündigungen angekündigt. “Wieviele Leute aussetzen müssen das läßt sich nicht sagen, es lässt sich ausrechnen, dass ihrer sehr viele sein werden, denn für einen Betrieb mit anderthalb Tausend Leuten bekommt man nicht mehr die nötigen Betriebskapitalien geliehen ... .Da die geliehenen Kapitalien mit 20% verzinst werden müssen, aber 20 Prozent nie verdient werden, verblutet .. ein Betrieb..”. Demnach waren 1925 noch 1500 Leute beschäftigt.

Gewinn und Verlustrechnung 1925
Gewinn und Verlustrechnung 1925

In der Bilanz von 1925 wird ein Warengewinn von 288.196 M ausgewiesen. Bei einem Umsatz von 4.263.073 M entspricht das einer Rendite von 6.7%. Die "Laufende Schulden" betragen 601.936 M. Die Kapitalkonten der Teilhaber betragen zwar 983.750 M - sind aber praktisch wertlos, da die Firma keine Mittel hat.

Die Konkurrenzsituation muss 1925 bis 1927 ausgesprochen schwierig gewesen sein. “um durch die Konkurrenz nicht vollständig verdrängt zu werden, mussten wir schon 1926 in den Preisen immer mehr nachgeben; .. und so haben die Abschlüsse sicher schon gegen Ende 1926 und Anfang 1927 zu schweren Verlusten geführt.”

Ausschnitt aus Brief an das Finansamt 6.2.1930
Ausschnitt aus Brief an das Finansamt 6.2.1930

Der Umsatz ist zwischen 1925 und 1927 um 42% eingebrochen. 1925 sind es noch 4.263 Mio RM Umsatz, während 1927 nur noch 2.494 Mio  erreicht werden. Ein Umatzrückgang dieses Größenordnung ist nur durch größere Entlassungen ausgleichbar. (Quelle Brief an das Finanzamt vom 6.2.1930)

Bilanz 1926
Bilanz 1926

Es wird ein Warengewinn von 50.433 RM ausgewiesen - nach Abschreibungen eigentlich Verlust. “..so dass schon 1926 der kärgliche Gewinn nicht mehr zur Zahlung der Steuern reichte”.(Quelle Brief vom 6.2.1930 ans Finanzamt). Wahrscheinlich gab es ertragsunabhängige Steuern, die eben nicht mehr bezahlt werden konnten. Die finanzielle Lage war sehr angespannt. Immer wieder bittet Hans das Finanzamt um Aufschub der Bezahlung seiner Erbschaftssteuern. So heisst es 1929, dass er seine Rate auch nicht aus der Firma entnehmen kann: “eine Entnahme von 10.000 RM unter den bei Beginn des Kalenderjahres üblichen angespannten finanziellen Verhältnissen nicht möglich sei..”.

Schaufenster-Wettbewerb 1926: Eugen Zeis, Berlin - Trostpreis 50 M
Schaufenster-Wettbewerb 1926: Eugen Zeis, Berlin - Trostpreis 50 M

Die eingereichten Fotos des Schaufenster-Wettbewerbs 1926 sind vorhanden. Der erste Preis erscheint eher unbegründet, vielleicht sollte der Händler hervorgehoben werden.

Adolf Richter, Berlin - Trostpreis 50 M
C.Schröder, Berlin - Trostpreis 50 M
Carl Wendt, Neukölln - Trostpreis 50 M
Erich Fänisch, Lichterfelde - Trostpreis 50 M
Eugen Zeise, Berlin - Trostpreis 50 M
F.C.Schütze Nihl, Berlin - Trostpreis 50 M
Otto Martin, Berlin - Trostpreis 50 M
Wilhelm Höppner, Berlin - Trostpreis 50 M
Lorenz Herold, Berlin - Trostpreis 50 M
Max Unger, Friedenau - Trostpreis 50 M
Gustav Kiessling, Neukölln - 3.Preis 100 M
Otto Hartz, Berlin - 1.Preis 300 M

1927 wurde Der Firmenanteil bewertet von Prokurist Lippold. Das Kapitalkonto ist von (1915) 5.172 Mio M auf 2.499 Mio RM abgeschmolzen. Dies könnte an einer Neubewertung nach der Währungsreform liegen oder an Verlusten bzw. Entnahmen. Die Währungsreform vom 15.11.1923 unter Finanzminister Luther legte einen Wechselkurs von 4.20 Rentenmark für 1 US$ und einen Umwechselkurs 1 Billlion Papiermark für 1 Rentenmark fest.

Ausschnitt aus Brief Hans Baumann an Grossvater Fentsch 16.11.1927
Ausschnitt aus Brief Hans Baumann an Grossvater Fentsch 16.11.1927

Hans Baumann beschreibt in einem Brief 16.11.1927 an seinem Grossvater Fentsch die Kreditnot der Firma. Nur durch Haftung auch des Privatvermögens bekommt die Firma genügend Kredit um die Löhne bezahlen zu können.

im Brief: “Man kann aber auch sagen, dass die Lebensfähigkeit der Firma die immer noch etwa 1000 Leute beschäftigt und noch nicht mit einem absoluten Verlust abgeschlossen hat, nicht in Frage gestellt werden darf, daß die Eltern in guten Zeiten Nutzen daraus gezogen haben und man deshalb das Unternehmen nicht, weil momentan kein Geld herausgezogen werden kann, oder weil man selbst eine grosse Vermögenseinbuße erleiden kann das ganze Unternehmen über den Haufen schmeißen muß!” Die Zahl “1000 Leute” stimmt wahrscheinlich im Vergleich zu 1928 nicht, demnach müsste sich die Belegschaft 1928 halbiert haben.

Ausschnitt 27.11.1927 Brief von Hans an OpaFentsch
Ausschnitt 27.11.1927 Brief von Hans an OpaFentsch

 

Im gleichen Brief beschreibt Hans die große Finanznot verschiedener Familienbetriebe. Die Gebrüder Bing waren ein großer Spielzeugproduzent und Emailwarenhersteller in Nürnberg. 1927 wurde Bing eine AG und 1932 wurde Bing aufgelöst. Die Auflistung ist aber nicht korrekt: Kustermann gibt es bis heute und Maffei schließt sich 1931 mit Krauss zu Krauss-Maffei zusammen...

Über das Jahr 1928 gibt es genauere Daten und Einheitswerte. Das Emaillierwerk in der Jahnstrasse wird mit 767.704 RM und das Sägewerk mit 62.691 RM bewertet. Die landwirtschaftlichen Grundstücke, immerhin 145ha mit 59.399 RM. Die Werkswohnungen, immerhin 52 Häuser,  haben einen Einheitswert von 408.357 RM. Die wesentlichen Häuser stehen in der Vondersittstr 1,3,5,-19, Fabrikstr. 1-5 und 2-10, Jahnstr.4-24 und 15-21, Baumannstr 2-6. Die gesamte Jahresmiete betrug 56.756 RM.

Die Belegschaft betrug 1928 502 Personen und der Auftragsbestand war 80.000kg. Als Beschäftigungsgrad wird 30% angegeben. Vermutlich waren die Anlagen der Firma für einen Beschäftigung bis zu 1600 Personen geeignet. Das passt auch zur Angabe der Kraftquellen: 1 Dampfmaschine 500 PS und 2 Dampfmaschinen in Reserve.

Katalog von 1929 mit farbigen Innenblatt für die Dekore
Katalog von 1929 mit farbigen Innenblatt für die Dekore

Ein Katalog von 1929 ist erhalten. Der Inhalt entspricht praktisch dem Katalog von 1909 - also 20 Jahre der gleiche Katalog ... Die Farbe rot wurde wieder gestrichen. Aus meiner Zeit als Emaillierer weiß ich noch, daß dies ein sehr kritischer und schwer zu verarbeitender Farbton ist.

Die Zahlungsziele sind kürzer geworden jetzt 60 Tage, das ist vielleicht eine Erfahrung aus der Inflation.
Die städt. Sparkasse und Reichsbank sind hinzugekommen.

Zahlungsziele 1929
Zahlungsziele 1929
Artikelgruppen in den Katalogen zwischen 1884-1936
Artikelgruppen in den Katalogen zwischen 1884-1936

Die Anzahl der Artikelgruppen hat sich um 42% wesentlich reduziert. Das ist ein deutlicher Hinweis auf eine schwierigere wirtschaftliche Lage.

Welche Gruppen haben sich gegenüber 1913 verändert?

Der Lebenstandard und damit die Bedürfnisse werden sich verändert haben, Porzellan wird gewisse Artikelgruppen verdrängt haben und natürlich der Hauptgrund: Produktionskosten senken.

 

Waschbecken

Wasserkrug

Wasserschöpfer

Kerzenleuchter

Nachttopf

Spucknapf

Seifenschalen

Speiseträger

 

Kaffeekannen

Zuckerdosen

Tassen,Trinkbecher

Teller

Eierbecher,Salz,Pfeffer,Senf

 

Kasserollen konisch mit Griff

Bratpfannen

Töpfe mit 2 Griffen

 

Dampfkochtopf

Kochmaschine für Eisenbahner

Selbstkocher

1913

19

21

12

7

21

18

37

18

 

35

9

24

9

10

 

33

16

19

 

3

4

13

1929

9

14

6

3

21

18

18

9

 

25

5

15

10

3

 

16

8

19

 

 

 

4

1936

6

8

5

1

14

11

9

6

 

21

3

6

6

-

 

12

7

16


Produktzahl ausgewählter Artikelgruppen

Dampfkochtopf/Selbstkocher/Kochmaschine im Katalog von 1913 fehlen im Katalog vom 1929
Dampfkochtopf/Selbstkocher/Kochmaschine im Katalog von 1913 fehlen im Katalog vom 1929

1929 scheint es wieder etwas besser zu gehen. Hans bittet um eine Stundung der Erbschaftssteuer und begründet es “den vollen Betrag (5987.07 RM) aus dem Geschäft herauszuziehen ist mir jedoch jetzt nicht möglich, nachdem in den letzten Wochen durch Verstärkung des Betriebes und Einstellung von rund 100 Arbeitern die Mittel noch stärker angespannt werden mussten”

Luftbild 1928 [11]
Luftbild 1928 [11]

Das Luftbild wurde 1928 aufgenommen. Das Sägewerk ist voll in Betrieb. In der Mitte unten sieht man Gebäude ohne Dach, das wird der Gasspeicher gewesen sein. 11 Kamine sind zu sehen. Man sieht Gehsteige im 1.Stock, die zum kürzeren Transport der Waren benutzt wurden. Mayerhofer schreibt von diesen Gehsteigen, die sich allerdings nicht bewährt hätten, vielleicht sind das noch die Überreste.

Bilanz 1929 [11]
Bilanz 1929 [11]

Die Bilanz von 1929 weist einen Verlust von 10.690 M aus der Warengewinnrechnung aus.

Die Erbauseinandersetzung um das Erbe der Babette entwickelte sich zu einer Bedrohung für die Firma. Theodor Sehmer, Mann von Tochter Else, war ein sehr geschäftstüchtiger leitender Mitarbeiter bei Siemens. Er errichtete den Bereich Medizintechnik von Siemens in Erlangen durch Zukauf einiger Firmen. Sehmer bestand auf eine seiner Frau zustehende Abfindung am Firmenanteil. Entsprechend dem Gesellschaftervertrag mussten Bankkredite gemeinsam beschlossen werden. Das war der Hebel von Sehmer um Druck auf Hans, der noch jung und geschäftlich unerfahren war, auszuüben. Sehmer wollte, dass Hans den Erbteil von Else an der Firma in Raten ausbezahlt, jedoch der Betrag von allen Teilhabern verbürgt wird. Dieses Risiko wollten die Teilhaber nicht eingehen.

Die Firma ist in den diesen Jahren in einer sehr prekären Lage. (Brief von Hans 13.4.1930 an Sehmer). Sie brauchen dringend Kredite. Durch den Rechtsstreit mit Sehmer bedingt können sie jedoch der Bank keine Sicherheiten geben. Grundstücke sind unverkäuflich, die Bürger haben wegen der Wirtschaftskrise kein Geld übrig.
Die Lage ist so bedrohlich, dass eine Liquidation der Firma immer wieder überlegt wird. Allerdings ist allen klar, im Fall der Liquidation wird auch nur ein sehr schlechter Preis für das Betriebsvermögen erzielt werden können. Der Wettbewerber, Küstrin fast so groß wie Baumann, konnte nicht verkauft werden. Von den 132 Emailfabriken von 1918 sind nur noch 67 übrig und davon haben nur noch 4 die gleichen Besitzer wie damals!

Ausschnitte von Brief Hans Baumann an Theodor Sehmer 13.4.1930
Ausschnitte von Brief Hans Baumann an Theodor Sehmer 13.4.1930

Am 14.3.1930 schreibt die Firma an 7 Banken und bittet um ein Hypothekendarlehen in Höhe von 600.000RM. Die Firma bietet als Sicherheit 6.0ha Industriefläche mit Gebäuden, 50 Wohnhäuser auf 3,2ha, 20,5 ha landwirtschaftliche Grundstücke (zum großen Teil Bauplätze) und schließlich 125ha Wald an! Die Brandversicherungssumme beträgt insgesamt 2.328.370 RM (Stammbetrag).Am 7.4.1930 geht nur die Vereinsbank Nürnberg auf die Anfrage ein, die anderen Banken lehnen ab. Eigentlich erstaunlich – zu der Zeit müssen Grundstücke als Sicherheit nur sehr wenig Wert gewesen sein. Die Hypotheken und Wechselbank Nürnberg bietet ein Annuitätendarlehen über 600.000 Goldmark an (8,5% Zins und 1% Tilgung). Auszahlung 98%, 2% Bearbeitungsgebühr werden noch abgezogen. Also ganz billig ist das Darlehen nicht! Durch die Weigerung Sehmers muß das Angebot abgelehnt werden.

1931 sind noch rund 300 Beschäftigte (Brief Sehmer 17.5.1931) im Betrieb. Es ist ein Betriebsverlust von 115.000M für 1930 entstanden (ohne die außerordentliche Vermögensentwertung von 468.000M auf Grundstücke).

Ausschnitt aus Brief Georg Baumann an Sehmer 18.6.1931
Ausschnitt aus Brief Georg Baumann an Sehmer 18.6.1931

Die Kosten in der Firma sind 1931 soweit möglich reduziert: Gehaltskürzungen bei den Meistern, Kurzarbeit in der Produktion, nur noch 8 kaufmännische Angestellte und 3 Reisende. ( 18.6.1931 schreibt Georg Baumann an Sehmer). Die Firma versucht Hilfe vom Staat zu bekommen - aber mit wenig Hoffnung, gerade wurde erst die Firma Deprag (Vorgänger der heutigen Deprag) liquidiert.

Georg II Baumann um 1930 (Anlaß unbekannt) [11]
Georg II Baumann um 1930 (Anlaß unbekannt) [11]
v.l. Hans, Werner, Georg II
v.l. Hans, Werner, Georg II

Immer noch läuft die Sehmer-Auseinandersetzung. Da es unter den Erben zu keiner Einigung kam, beantragten diese im März 1932 "zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft" die Zwangsversteigerung des Unternehmens und des Grundbesitzes. Am 16.6.1932 findet eine Zwangsversteigerung “zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft” sämtlicher Immobilien statt. Die bisherigen Eigentümer Georg II und Oskar Baumann sowie Hans, Brunhilde Baumann und Else Sehmer versteigern und Georg II, Oskar und Hans Baumann kaufen für  je 250.722,88 RM die Immobilien [Amberger Tagblatte 21.3. u. 20.5.1932]. Damit war der Wert der Firma als Basis für eine Einigung ermittelt worden. Der Rechtsstreit endete 1935 mit einem Vergleich, konnte aber erst mit der Auszahlung der Familie Sehmer in den 1950er Jahren abgeschlossen werden.

 

1933 spricht Oskar in einem Briefentwurf von 400 Beschäftigten.

Der Katalog von 1934 sieht vom Umschlag wesentlich moderner aus - aber vom Inhalt ist dies der abgespeckte Katalog mit Illustrationen von 1909! Eine neue Farbtafel wird jetzt verwendet und die Farbe rot wieder wieder angeboten.


Die Zahlungsbedingungen wurden verkürzt, man hatte also großes Interesse schnell Geld zu bekommen. Die Mengenrabattstaffel gibt wahrscheinlich den großen Druck des Marktes wieder.

21.3.1934 Eröffnung der “Arbeitsschlacht”. Betriebsversammlung im oberen Emaillierwerk. [11 Fotoalbum]
21.3.1934 Eröffnung der “Arbeitsschlacht”. Betriebsversammlung im oberen Emaillierwerk. [11 Fotoalbum]

Man kann Oscar Baumann neben einem Herrn im weißen Mantel erkennen. Georg Baumann hält eine Ansprache. Die NSDAP Vertreter in Uniform sitzen neben dem Rednerpult und demonstrieren ihren Beduetung. Die "Arbeitsschlacht" am 21.3. 1934 wurde zentral gesteuert und organisiert.

 

Hintergrund aus dem Internet:
(www.dhm.de) 21. 3. 1934 Hitler ruft anläßlich einer Baustelleneröffnung der Reichsautobahn bei München vor 10.000 Anwesenden zur "Arbeitsschlacht" auf. Die verstärkte Nutzung von Begriffen aus dem militärischen Sprachgebrauch spiegelt die fortschreitende Militarisierung im NS-Staat.

Im Mai 1933 veröffentlichte der auto- und technikbegeisterte Adolf Hitler ein Programm zum Bau von Autobahnen, gemäß dem sich ein dichtes Netz von vierspurigen Autostraßen über Deutschland spannen sollte. Verschwiegen wurde, daß die detaillierten Pläne zum Autobahnbau aufgrund der Motorisierung in der Weimarer Republik im wesentlichen aus den zwanziger Jahren stammten. Das erste Autobahnteilstück Deutschlands war im August 1932 zwischen Köln und Bonn freigegeben worden. Im Herbst 1934 befanden sich rund 1.500 Autobahnkilometer im Bau.

Der Autobahnbau, größtenteils finanziert durch die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und unter der Verantwortung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen Fritz Todt stehend, wurde als Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit propagiert, doch dieses Ziel wurde nur bedingt erreicht. Die höchste Beschäftigungszahl gab es im Jahr 1936, als rund 120.000 Arbeiter an den Trassen eingesetzt waren. Auch die beteiligten Zulieferbetriebe brachten nicht den arbeitspolitischen Effekt, den die NS-Propaganda versprochen hatte. Ab 1935 wurden kleinere Autobahnteilstücke fertiggestellt, das erste im Mai von Frankfurt nach Darmstadt. Von den geplanten 6.900 km waren bis 1945 rund 3.800 km gebaut.

Im Internet ist ein Protokoll für die "Arbeitsschlacht" im Kreis Pirna aufgelistet.

Bericht des Arbeitsamtsdirektors über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen:
„Die Aufnahme der „Arbeitsschlacht“ im Bezirk Pirna. Am heutigen Vormittag fand im hiesigen Stadtverordnetensaal eine Sitzung statt, in der der Direktor des Arbeitsamtes Pirna, Dr. Siemers, vor den Bürgermeistern bzw. Gemeindevertretern aus dem Arbeitsamtsbezirk Pirna Ausführungen über den Beginn der Arbeitsschlacht im Bezirk Pirna machte. In seiner Einleitung betonte der Arbeitsamtsdirektor, daß zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Sachsen nur eine kurze Frist vorgesehen ist. Die Arbeitsschlacht werde, so führte er dann weiter aus, in Gemeinschaft mit der Kreisleitung der NSDAP, der SA, der SS, den Banken, kurzum mit allen Kreisen geführt werden, die an der Beseitigung der Arbeitslosigkeit interessiert sind. Vor allem soll mit dem Arbeitsamt und den Gemeinden eine Einheit gebildet werden. Der Begriff Arbeitsschlacht sei ein nationalsozialistischer, nationalsozialistisch müsse auch der Geist sein, der als Träger den Kampf durchflutet.
Jeder müsse seine ganze Kraft einsetzen, jeder müsse Vertrauen haben zu den Maßnahmen, die getroffen werden und sich selbstlos einstellen auf die Arbeitsschlacht. Auf jeden einzelnen müsse eingewirkt werden. Für Sachsen heiße die Schlacht gewinnen, wenn es schon gelingt, eine wesentliche Herabdrückung der  Arbeitslosenzahl zu erreichen, und zwar nicht nur vorübergehend, sondern dauernd. Direktor Dr. Siemers gab dann die Richtlinien bekannt, nach denen die Schlacht in Angriff genommen und geführt werden soll. Es soll verhindert werden, daß Leute, die weniger bedürftig sind, in Arbeitsstellen eindringen. Wenn die Richtlinien, die jetzt gelten, schon früher herausgegeben worden wären, hätten wir in Sachsen etwa 700000 Arbeitslose weniger gehabt. Als weitere Mittel führte er an: Propagierung der 40-Stunden-Woche, Bekämpfung des Doppelverdienertums, Einstellung der sozial am Bedürftigsten Familienväter und der nationalen Kämpfer, Bekämpfung der Pfusch- bzw. Schwarzarbeit. Letztere sollte mit allen Mitteln unterbunden werden, und er bat die Gemeindevertreter, ihm jeden Fall zu melden. Dr. Siemers sprach noch über die Organisation innerhalb des Arbeitsamtes und betonte, daß bereits über 1000 neue Arbeitsplätze frei gemacht worden seien, zum Teil durch Arbeitsstreckung, zum Teil durch Neueinstellung.

1.Mai 1934 "Verlesung einer Proklamation"
1.Mai 1934 "Verlesung einer Proklamation"

Am Tag der Arbeit wurde sicher eine Proklamation im Sinne der Arbeitsschlacht verlesen.
Im oberen Bild liest Georg II Baumann in der Mitte stehend seine Rede vom Blatt ab. Hinter ihm steht Oskar. Hans (zu dem Zeitpunkt 31 Jahre) ist nicht zu erkennen.

Das untere Bild folgt im Fotoalbum. Ich nehme daher an, dass nach der Verlesung in die Stadt gegangen wurde. Georg II Baumann geht vorne zwischen zwei Herren nach den Uniformierten. Drei Reihen weiter hinten geht Oskar Baumann (ohne Hut). Das Foto wurde vom Bahnhof in Richtung Stadt über die Stadtgrabenbrücke aufgenommen. Das rechte Gebäude war das Hotel "Pfälzer Hof" - heute Kaufhaus Wöhrl. Im linken Gebäude war die frühere Bahnhofsapotheke.

1.Mai 1934 Umzug am Bahnhof (Foto vom Bahnhof in Richtung Stadt aufgenommen)
1.Mai 1934 Umzug am Bahnhof (Foto vom Bahnhof in Richtung Stadt aufgenommen)

Die Situation der Firma eskalierte als die Löhne nicht mehr gezahlt werden konnten. Nun war Georg II. Retter in der Not, der die Haftung für einen Bankkredit übernahm um die Lohnzahlung gewährleisten zu können. Er schrieb später an Werner: "Ich habe in meinem Leben schon 2 ernste, unsere Firma betreffende Krisen mitgemacht. In beiden Fällen war mein Privatvermögen allein ausschlaggebend für die Kreditgewährung und den Fortbestand der Firma. Sowohl in der Erbschaftsauseinandersetzung Sehmer wie in der Wirtschaftskrise Anfang der 30er Jahre hätte die Bank ohne meine Haftung nicht mitgemacht. Das Privatvermögen, sowohl deines Vaters (Oskar) als auch das von Erhards Erben, welches praktisch nur aus Privatgrundbesitz bestand, der damals äusserst niedrig bewertet wurde, spielte hinsichtlich Kredit eine völlig untergeordnete Rolle. Der damalige Staatsbankdirektor Dieminger hat mir seinerzeit sogar angetragen, die Firma allein zu übernehmen, was mir anläßlich einer Liquidation ohne weiteres möglich gewesen wäre. Jedoch hielten sowohl verwandtschaftliche als auch rein menschliche Bindungen mich davon ab, einen derartigen Gedanken weiter zu verfolgen."

Im Jahre 1935 wird die Firma als Kommandit-Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen mit dem Namen "Gebrüder Baumann GmbH & Co, Stanz- und Emaillierwerk", bis dahin war es eine OHG (offene Handelsgesellschaft, alle Gesellschafter haften unbeschränkt). Das heisst es gibt jetzt Kommanditisten (Gesellschafter mit beschränkter Haftung) und Komplementäre (Gesellschafter mit unbeschränkter Haftung). Dies hat sicher mit dem Vergleich des Sehmer-Prozesses zu tun, vermutlich sind Else Sehmer und Brunhilde Baumann jetzt Gesellschafter als Kommanditisten geworden.

ca1934 Anlaß nicht bekannt [11]. Man kann Herrn Lippold (weisse Haare), Georg (hält Hut mit einer Hand) und Hans (hält Hut mit beiden Händen) erkennen.
ca1934 Anlaß nicht bekannt [11]. Man kann Herrn Lippold (weisse Haare), Georg (hält Hut mit einer Hand) und Hans (hält Hut mit beiden Händen) erkennen.

Von der Weihnachtsfeier 1935 gibt es noch Reste einer Fotoserie.Der Versammlungsraum lag oberhalb der alten Blechverarbeitung, gegenüber vom Stranzkylager. Offensichtlich wurden Töpfe zu Weihnachten verschenkt. 

1935 Weihnachten
1935 Weihnachten

An den Wänden hingen die Parolen der Zeit: “Kraft durch Freude” oder “Ein Volk, Ein Reich, Ein Führer”. Es hängt auch ein Plakat an der Wand “Sonne und Grün alle Schaffenden”. Die Nazis haben für die “Schaffenden” sehr beliebte Ferienreisen organisiert.

Spiegel.de: Unterstützt vom 1933 gegründeten Freizeitwerk "Kraft durch Freude" (KdF), konnten Tausende von Deutschen sich zum ersten Mal eine richtige Ferienreise leisten. Nazi-Funktionäre wie Robert Ley, Chef der KdF-Mutterorganisation "Deutsche Arbeitsfront", lancierten den propagandistisch ausgeschlachteten Massenurlaub zur Festigung der Volksloyalität und zur Stärkung der "Heimatfront" .

nach Haußmann [4]: "Die nationalsozialistische Herrschaft wirkte sich negativ auf die Produktion und den Absatz aus. Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wiederholte sich das wirtschaftliche Drama für die Firma Baumann. Die einstigen Handelspartner im Ausland waren wieder zu "Feinden" geworden! Im Weltadreßbuch der Emailindustrie von 1943 werden nur noch drei Auslandsvertreter der Firma Baumann genannt, in Spanien, in Portugal und in Dänemark.

Als "nicht kriegswichtiger Betrieb" hatte die Firma in Amberg keine Unterstützung und erhielt laufend weniger Rohstoffe. So kam die Produktion gegen Kriegsende völlig zum Erliegen."

Hans (li) und Kurt (re) im Hauptbüro, etwa 1940 [11]
Hans (li) und Kurt (re) im Hauptbüro, etwa 1940 [11]
Beschriftung im Fotoalbum "Umzug 1.Oktober" [11]; etwa 1935 - Der Anlaß des Umzugs ist nicht bekannt, vermutlich Fasching.
Beschriftung im Fotoalbum "Umzug 1.Oktober" [11]; etwa 1935 - Der Anlaß des Umzugs ist nicht bekannt, vermutlich Fasching.

Am 29.11.1939 wurde die Bierhalle mitsamt Gastwirtschaftseinrichtung an das Brauhaus für 46.500 RM verkauft (Notarvertrag S1.,S2.,S3.,S4.. Die Bierhalle “Münchner Bierhalle” wurde am 17.6.1893 erworben. Die Bierhalle stand früher gegenüber der Wintervilla (Ecke Kaiser-Ludwig-Ring und Mariahelfbergweg). Eine Anekdote besagt: die Gründer trafen sich immer zur Postbesprechung auf ein Bier in der Bierhalle. In den 70ziger Jahren war das Tanzcafe “Metropol” in der Bierhalle.

Weihnachten 1939: die Familie traf sich bei Georg II. in der Villa Mariahilfbergweg 32. Von links: Heiner(?), Elisabeth (Tochter von Oskar), Maria (Gattin von Kurt), Kurt, Georg II, Werner, Oskar, Brunhilde und Helene (Gattin von Georg II.)
Weihnachten 1939: die Familie traf sich bei Georg II. in der Villa Mariahilfbergweg 32. Von links: Heiner(?), Elisabeth (Tochter von Oskar), Maria (Gattin von Kurt), Kurt, Georg II, Werner, Oskar, Brunhilde und Helene (Gattin von Georg II.)

Üblicherweise traf sich die Familie alljährlich nach Weihnachten. Es gibt wenig Fotos, die die Familien gemeinsam zeigen. Dies lässt darauf schließen, dass der Kontakt unter den Familien nicht mehr sehr eng war.

 

In einem Brief des Treuhänders vom 8.6.1946 an die Preisbindungsstelle heisst es: “Unsere Firma hat, wie alle im Kriege arbeitenden Unternehmen natürlich auch Rüstungsaufträge übernehmen müssen und aus diesen Geschäften infolge der vielen nicht bezahlten Rechnungen und nicht verwertbaren Rüstungsmaterialien Verluste in Höhe von rund 0.6 Millionen Mark erlitten...” . 

Eventuell wurden auch Gehäuse für Luftminen gefertigt. Das waren Gehäuse aus Aluminium, etwa 80cm im Durchmesser. Nach dem Krieg wurde eine solches Gehäuse als Wasserbottich im Garten benutzt. Ich erinnere mich auch an einen zweiten etwas kleineren Bottich, bei dem die runde Spitze eingedellt war, damit der Bottich darauf stehen kann.

Kriegsfertigung: Gehäuse aus Aluminium-Blech, nach dem krieg als Wasserbottich genutzt.[11]
Kriegsfertigung: Gehäuse aus Aluminium-Blech, nach dem krieg als Wasserbottich genutzt.[11]

Es könnte sich um das mittlere Teil für die Großladungsbombe 2500(AI) handeln. Es heisst in der Beschreibung: “Bombenkörper ... aus Aluminiumblechen geschweißten Mantel ... Durchmesser 825mm”. Die seitlichen Flansche passen ganz gut mit der Zeichnung aus der Beschreibung überein. Die Produktion wurde während des Kriegs auf Stahlblech-Gehäuse umgestellt. Aluminium ist eigentlich nicht typisch für die Firma. Ob es sich hier um Musterstücke oder um echte Produktionsteile handelt ist unklar, meiner Erinnerung nach erwähnte dies mein Vater. 

 

Erhard kann sich an erinnern, daß sein Vater erzählte, bei Alarm wurden französischen Kriegsgefangenen auf das private Grundstück abkommandiert, damit sie dort in Sicherheit waren, da sie nicht in Bunker gehen durften. Erhards Vater hatte auch nach dem Krieg noch Kontakt zu einzelnen Kriegsgefangenen. Mir wurde auch erzählt, daß in der Küche der Wintervilla für Zwangsarbeiter oder Gefangene gekocht worden wäre.

 

 

Im gleichen Brief des Treuhänders wird eine Gewinn- und Verlustrechnung für die Geschirrfertigung der Jahre 1942-1944 beigefügt. Dieser Zusatz bedeutet wahrscheinlich, dass hier die Zahlen der Rüstungsaufträge heraus gerechnet wurden. Verluste von 0.6 Mio RM würde bedeuten, dass Rüstungsaufträge in größerer Menge abgewickelt wurden.

Auflistung vom Treuhänder 1946 zu Umsatz der Geschirrfertigung
Auflistung vom Treuhänder 1946 zu Umsatz der Geschirrfertigung
Schriftkopf der Firma um 1940 (ein Firmenpapier-Blatt lag in einem Katalog):
Schriftkopf der Firma um 1940 (ein Firmenpapier-Blatt lag in einem Katalog):
Beschäftigte 1914-1945 (Die Angaben kommen aus unterschiedlichen Schriftsätzen)
Beschäftigte 1914-1945 (Die Angaben kommen aus unterschiedlichen Schriftsätzen)

Für die Mitarbeiterzahl haben wir nur eine genaue Angabe für 1928: 502. Die anderen Angaben sind Anmerkungen aus der Korrespondenz. Aber man sieht sofort die Katastrophenjahre von 1925 bis 1930. Für die Zeit 1933 bis 1948 habe ich leider keine Angaben.

 

Für die wirtschaftliche Entwicklung zwischen 1919-1948 gibt es nur einige wenige Dokumente: Bilanzen (aber ohne Warengewinnrechnung) und Bemerkungen in den Briefen zum Sehmerprozess. Es erscheint etwas verwegen Goldmark und Rentenmark gleich zu setzen. Nach dem Verbraucherindex von Eberhard (leider ist der Link im Internet nicht mehr zugänglich) ist der Unterschied tatsächlich nicht so gross 1915: 1 Goldmark entspricht 21,1 Euro und 1925: 1 Rentenmark entspricht 16,7 Euro. Da diese Index insgesamt eher fraglich sind, habe ich hier Goldmark und Rentenmark gleich gesetzt.

Umsatz 1918-1945
Umsatz 1918-1945

Der dramatische Einbruch um 1925 spiegelt sich im Umsatz wieder: Rückgang von 1925 auf 1927 um 43%! Die Quelle hierfür ist eine Eingabe ans Finanzamt. Bei den Umsätzen 1942-1944 ist nicht ersichtlich, ob der Wert auch den Umsatz mit Rüstungsgütern enthält.

 

Guthaben/Schulden 1914-1930
Guthaben/Schulden 1914-1930

Interessant ist die Betrachtung der Verschuldung. Die Daten stehen leider nur in ganz wenigen Jahren zur Verfügung. 1915 sehen wir ein gesundes Unternehmen: es bestehen Guthaben bei der Bank und erträgliche Aussenstände. Ganz anders 1924: Die Inflation hat die Reserven der Firma vernichtet, statt Guthaben sind jetzt Kredite bei der Bank notwendig geworden. Nicht recht nachvollziehbar ist der Wert des Warenlagers. Nach dem Rückgang des Umsatzes wäre es eigentlich normal, dass sich die Vorräte und Lager ebenfalls reduzieren.
Die Krise 1925 geht mit relativ hohen Aussenstände einher. Dies ist besonders auffällig, da gleichzeitig der Umsatz deutlich kleiner geworden ist.